Samstag, 29. Juni 2013

Live und in Farbe

Oha, wie die Zeit vergeht! Etwas überrascht habe ich soeben bemerkt, dass dieser Beitrag der Einhunderste sein wird, nachdem Der Libero vor über zwei Jahren erneut aufs Feld geschickt wurde. Allerdings soll  nicht lange zurückgeschaut werden. Schließlich lässt Der Libero für manchen vielleicht etwas zu häufig mit leicht nostalgisch verklärten Blick Vergangenes aus dem Fußball-Kosmos Revue passieren. Vielmehr möchte ich ››Danke!‹‹ sagen.

Etwa bei meinen geschätzten Leserinnen und Lesern, die hier dann und wann oder gar öfter reinschauen - oder auch bei den Machern der Wissensplattform triviado.com, die diesen kleinen Blog aus der nostalgischen Nische der Fußballbloggenden doch tatsächlich zu den ››ultimativen deutschen Fußball-Webseiten‹‹ gezählt haben. Bedanken möchte ich mich selbstverständlich auch bei den bloggenden Protagonisten der Themenwoche ››50 Jahre Bundesliga - Typen, Titel und bloß nicht wie Tasmania‹‹, die vor einem Jahr mit der Jubiläumssaison startete. Es machten mit: Trainer Baade, Heinz Kamke ››angedacht‹‹, Uwe Strootmann ››Im Schatten derTribüne‹‹, Jannik Sorgatz ››Entscheidend is auf’m Platz‹‹, Carsten Pilger››FCSBlog 2.0‹‹, Carsten Koslowski alias Janus ››Janus kleine Welt‹‹ und Werder-Schalträger Udo M. Abgerundet wurde die Woche mit einem Ben Redelings-Interview. 
 
50 Jahre Bundesliga, das ist gewiss ein gutes Stichwort. Nahm sich dieses Jubiläum doch kürzlich der Tagesspiegel zum Anlass, um eine Expertenjury zu bilden, die dann die beste Elf aus fünf Jahrzehnten Bundesliga kürte. Löblich, diese Aktion. Doch besonders  von Interesse soll hier freilich sein, wen Jupp Heynckes und seine Jurykollegen zum besten Bundesliga-Libero gekürt hat. Es war natürlich, Franz Beckenbauer. Schließlich hat es kaum einen besseren gegeben als Beckenbauer, der den Libero mit federleicht anmutender Eleganz oft offensiv interpretierte. Sehen wir dem ››Kaiser‹‹ daher seine Zoten, Zitate und sonstigen Zwischentöne ausnahmsweise einmal nach. Gleichwohl möchte ich Elogen auf den ››Kaiser‹‹ nicht weiter vertiefen und überlasse dies DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, der dies im Tagesspiegel vortrefflich erledigte.
 
Eher möchte ich dem einstigen Kölner Bundesliga-Profi Thomas Cichon einige Zeilen widmen. Vor einer halben Dekade schien Cichon beim VfL Osnabrück sein Glück gefunden zu haben und gab dort einen wenig sprintstarken letzten Mann. Cichon, dem Toni Polster weiland in  Köln den kapitalen Kosenamen ››Franz‹‹ verpasst hatte, interpretierte den Libero meist als zurückhängenden Ausputzer mit ansprechendem Auge und einer Vorliebe für lange Diagonalpässe per Außenrist. Unvergessen sind ferner - in Köln wie in Osnabrück - Cichons gewichtige Gesten, denen  Manuel Andrack in seinem Buch Meine Saison mit FC gleich ein  Kapitel lang Tribut zollt.
 
Auf diese Weise hielt Cichon damals Osnabrücks fragile Abwehr in Liga Zwo und Drei irgendwie zusammen. Selbst wenn einige Lila-Weiße auf den Rängen der Bremer Brücke schier öfter aufstöhnten als in manchen Spielen Abseits gepfiffen wurde, da ihr letzter Mann wieder einmal nur die Hacken der gegnerischen Neun sah. Cichon kompensierte die aufbrandenden Brummeleien an der Bremer Brücke zumeist mit Strafstoßtoren, nach denen er sich absurderweise überaus ausgiebig auf dem Zaun der Osttribüne feiern ließ. Wie singt man noch im lila-weißen Kosmos des Traditionsklubs? Wir sind alle ein Stück -VauEffEll Osnabrück!
 
Leider ist obendrein noch immer diese unappetitliche Sache mit dem Wettskandal in der Welt, in dessen Zuge ››Franz‹‹ Cichon mehrfach belastet und letztlich angeklagt wurde. Doch um Cichon, dessen Stiefel längst am Nagel hängen,  als einen Ausputzer auf Abwegen soll es hier ausdrücklich nicht gehen. Eher darum, dass dieser ››Franz‹‹ Cichon der letzte waschechte Libero gewesen ist, den ich im Profifußball von einer Tribüne aus habe spielen sehen. Im Übrigen: Live und in Farbe.  

Samstag, 15. Juni 2013

Sorgen um Pelés Erben

Die WM 2014 in Brasilien wirft immer größere Schatten voraus. Das Maracanã-Stadion wurde vor Kurzem endlich fertig, was zum heute beginnenden Confederations Cup, jener WM-Generalprobe, gerade noch just in time war. Schier zu große Schatten werfen unterm Zuckerhut derzeit jene genialen Generationen von Idolen und Altstars, über denen im Fußball-Olymp do Brasil nur noch der große Pelé als eine Art brasilianischer Fußball-Zeus thront, auf die aktuelle Seleção. Denn diese rumpelt für Maßstäbe do Brasil beinah über die Rasenrechtecke, weshalb sich der gesamte Olymp Sorgen um Pelés Erben macht.

Da wäre etwa Romário, seines Zeichens Weltmeister 1994 und inzwischen Parlamentsabgeordneter. Denn der Ex-Weltklassetorjäher schießt mittlerweile gern und oft kritisch aus allen Rohren -  besonders gegen den Verband, Brasiliens Trainer, das Team und selbst gegen Pelé himself. So legte Romário Pelé gar einmal nahe, sich einen Schuh in den Mund zu stecken. Weniger streitlustig wirkt da Zico, der sich in den 70er und 80ern den huldvollen Spitznamen «Weißer Pelé» erdribbelte. Kurz vor dem Confed Cup-Eröffnungskick, das Brasilien gegen Japan bestreitet, rechnet Zico, einstmals japanischer Nationalcoach, «mit einem der härtesten Duelle , die diese beiden Teams sich je geliefert haben.»  Für Zico ist dies offenbar kein Wunder. Die Seleção  befände sich, so Zico weise, gerade in einer Phase, in der sie noch nach der idealen Elf und Formation suche.

Bei Pelé himself scheint unterdessen ein typischer Uwe-Seeler-Reflex ausgebrochen zu sein. Brasiliens 73-jähriges Fußball-Idol erklärt permanent, Angst um seine Seleção zu haben. „Lasst uns die Selecao nicht ausbuhen, sondern unterstützen“, musste Brasiliens größter Zehner sogar dieser Tage seinen aufgebrachten Landsleuten soufflieren.

Die geballte Sorge hängt dabei irgendwie mit diesem Neymar zusammen. Denn Neymar gilt, wie sich täglich irgendwo nachlesen lässt, bereits seit einem gefühlten Jahrzehnt als Pelés Erbe. Wie Robinho und viele andere vor ihm, die einst beim Pelé-Klub FC Santos die Stiefel balljonglierend schnüren gelernt haben. Nun soll Neymar sein Heimatland beim Confed Cup zum Turniersieg führen. Wenn möglich mit einem Hattrick pro Spiel und sollte dieses Kunststück am besten im Sommer 2014 gleich noch einmal wiederholen. 

Doch mit diesem Neymar, der just dem FC Barcelona epische 57 Millionen Euro wert war, ist das so eine Crux. Schließlich wiegt der Rucksack aller brasilianischen Erwartungen für ihre 21-jährige Verheißung überaus schwer. Man beachte das enttäuschende Viertelfinal-Aus bei der Copa America 2011 oder die für brasilianische Dimensionen fast skandalöse Silbermedaillen beim olympischen Fußballturnier in London, wo der stets fesch frisierte Neymar so manchen Übersteiger ins Leere fabrizierte. Das führte mittlerweile dazu, dass ausgerechnet Pelé himself seine verwöhnten Landsleute davor warnte, Neymar mit ihren Erwartungen zu überfrachten.  So diktierte er noch Ende Februar der Zeitung Estado de Sao Paulo folgende Zeilen in ihre Blöcke: „Das Vertrauen in ihn ist wahnsinnig groß, aber er ist nur ein ganz gewöhnlicher Fußballer, wenn er für Brasilien spielt.“
Jene Aussage verliert leider etwas an Gehalt, wenn man Pelé dieser Tage so zuhört, wie er Sätzchen verkündet, die da lauten: Messi sei die Gegenwart und Neymar die Zukunft. 

Doch der große Pelé kann auch anders und schoss längst aus seinem Fußball-Olymp bittere Blitze auf seinen erklärten Erben ab. Neymars "Hauptsorgen" seien "Mode und seine Frisur", so bebte Pelé einmal im englischen Independent. Kurz zuvor war die März-Ausgabe des englischen Fußball-Magazins FourFourTwo erschienen, die auf ihrem Cover unter anderem Neymar abbildete, der tatsächlich, als verkleideter Elvis Presley aus der rechten Coverecke grinste. Fremdschämen ist ausdrücklich erlaubt. Welch Wunder, dass dies selbst Romário keine seiner berüchtigten Salven wert war...