Freitag, 30. November 2012

Goodbye Galaxy!

Was macht eigentlich, David Beckham? Der einstige englische Flankengott bestreitet am Samstag  sein buchstäbliches Endspiel für Los Angeles Galaxy. Jenem Klub unter der Sonne Kaliforniens, für den er seit einem halben Jahrzehnt seine Knochen hingehalten hat, wie man es so gern bei Enddreißigern formuliert. Oder sollte man bei „Becks“ eher Flanken schlagen schreiben?

Whatever! Jenes Endspiel gegen Houston Dynamo ist nicht nur sein letzter Auftritt im Galaxy-Dress, daneben ist es das MLS-Finale, in dem „Becks“ und Kollegen ihren letztjährigen MLS-Titel verteidigen können. Und nach diesem letzten Hurra in Hollywood, heißt es: Goodbye, Galaxy! Vor Beckham versuchten bereits berühmte Balltreter wie Pele, der Kaiser, Gerd Müller, Johan Cruyff oder auch George Best den USA den Kosmos Soccer näherzubringen. Das war in den wilden Siebzigern und mehr oder minder erfolgreich.
Die Beckhamisierung Amerikas hingegen begann im Juli 2007, als etwa 5.000 Fans und etwa 2.000 Journalisten seine Präsentation säumten, bei der „Becks“ sein Trikot mit der 23 erhielt. By the way, kurz zuvor hatte sich Galaxy anlässlich Beckhams Verpflichtung selbst auf eine neue Umlaufbahn gebeamt und sich ein moderneres Wappen nebst ansprechenderen Klubfarben verpasst.
 
Zuhause, im kritischen Fußball-Mutterland war trotz dieses neuen Anstrichs der Lack schnell wieder ab. Denn Tage nach Beckhams Vorstellung im Konfettiregen  klopfte sich die englische yellow press bereits hämisch auf die Schenkel. Vor allem die Sun spottete saftig: „Mein Gott, Becks' neues Team ist eine Sonntagmorgen-Thekentruppe. Diese Mannschaft auf ein besseres Level zu heben, würde einem Wunder gleichen.“ Was passiert war?  L. A. Galaxy hatte einen Freundschaftskick gegen das mexikanische Klübchen UANL Tigres mit 0:3 verloren, den Beckham hilflos von der Tribüne mitanschauen musste.

Anders sieht es nun fünf Jahre später aus. Noch bevor Beckham sein Endspiel im weißen Galaxy-Dress mit der blauen Schärpe absolviert hat, lobte Galaxy-Boss Tim Leweike seine Galionsfigur regelrecht in den Himmel: „David hat nicht nur unseren Verein auf die nächste Stufe gehoben, sondern unseren Sport. Es war eine Ehre und ein Privileg, Teil seiner Welt gewesen zu sein.“ Es scheint so, als sei Beckham das Wunder gelungen.

Nun sucht die mittlerweile 37-jährige Ikone eine "letzte Herausforderung", bevor er die Treter an den Nagel hängt. Zunächst liebäugelte Beckham mit einem Wechsel nach Down Under, wo in der australischen A-League einige Altstars wie Alessandro Del Piero, Emile Heskey oder auch ein gewisser Thomas Broich (#Tom meets Zizou) Fuß gefasst haben. Doch selbst eine Rückkehr ins Mutterland des Fußballs scheint für den „ersten wahrhaft globalen Kicker“ (Die ZEIT) möglich. 

Eigentlich wollte Beckham für keinen anderen englischen Klub als für Manchester United aufgelaufen sein. Doch kürzlich sagte er, man wisse nie. Fürwahr, "Beckham is coming home" klingt nicht  übel. Hauptsache, good old Sir Alex Ferguson wirft ihm keine Schuhe hinterher, falls er seine letzten Flanken künftig etwa für das abgeschlagene wie sieglose Premier League-Schlusslicht, die Queens Park Rangers, schlagen sollte...

 

Samstag, 24. November 2012

Alle Augen auf den neuen Leitwolf

Ja, Thomas Schaaf und Klaus Allofs gehörten 13 lange Jahre zu Bremen wie die vier Stadtmusikanten. Allofs ist bekanntlich fortgezogen, wechselte spektakulär uzum VfL Wolfsburg und war deshalb in den letzten Wochen in aller Munde. Nach 13 Jahren im Werder-Kosmos fungiert Allofs dort seit Kurzem als Geschäftsführer Sport. Wohl nicht wenige "Wölfe" heulten vor Freude auf.


Keine zwei Wochen nach seinem Wechsel kommt es bereits zum Wiedersehen. Fürwahr, der Spielplan ist bisweilen gnadenlos. Denn Werder gastiert heute um 15.30 Uhr beim VfL. „Wir spielen nicht gegen Klaus Allofs, sondern gegen den VfL Wolfsburg“, diktierte Schaaf dem kicker zwar den brisanten Ball flach haltend in den Block. Dennoch heißt es heute: alle Augen auf Allofs! Wie übrigens auch hier beim Libero, der zehn Dinge über den neuen Leitwolf des VfL zusammengetragen hat…

1. Es war im Spätsommer 1975, als Allofs im Dress von Fortuna Düsseldorf sein Bundesligadebüt feierte. Gegner war seinerzeit Wolfsburgs Nachbar Eintracht Braunschweig. Der VfL Wolfsburg kickte damals nach einem Abstieg aus der 2. Bundesliga in der Oberliga Nord.

2. Sechs Jahre später avancierte Allofs zum teuersten Transfer der Bundesliga, als ausgerechnet der 1. FC Köln den gebürtigen Düsseldorfer für sage und schreibe 2,25 Millionen DM (!) verpflichtete.

3. Neben den beiden rheinischen Traditionsklubs stürmte Allofs Anfang der 90er für Werder Bremen. Ein gewisser Otto Rehhagel hatte seinen früheren Düsseldorfer Schützling nach einer dreijährigen Stippvisite in Frankreich bei Olympique Marseille und Girondins Bordeaux im reifen Alter von 33 Jahren in die Bundesliga zurückgeholt.

4. Insgesamt erzielte Allofs für diese drei Klubs in 429 Bundesligaspielen 177 Treffer und rangiert gemeinsam mit Dieter Müller auf dem 7. Rang der ewigen Torschützenliste - gleich zweimal (1979, 1985) wurde er Bundesliga-Torschützenkönig. Ebenso wie 1989 sein oft nicht minder torgefährlicher Bruder Thomas, der ebenso wie sein großer Bruder sowohl für die Düsseldorfer Fortuna und den Effzeh die Stiefel schnürte.

5.  Neben seiner kapitalen Torquote kann Klaus Allofs eine weitere beachtliche Bilanz vorweisen. Mit jedem seiner deutschen Klubs erreichte er ein Europapokalfinale, mit Düsseldorf anno 1979 das Endspiel des einstigen Pokalsiegercups, in welchem die Fortuna gegen den FC Barcelona mit 3:4 verlor. Im UEFA-Pokal-Endspiel 1986 unterlagen Allofs und der 1. FC Köln Real Madrid. 1992 triumphierte er dann mit Werder und steuerte gar einen Treffer zum 2:0-Finalsieg über den AS Monaco  bei.

6. Als Werder-Kicker wurde er überdies Meister und DFB-Pokalsieger. Was den DFB-Pokal angeht, war Allofs im Übrigen ein regelrechter Spezialist und errang diesen mit Köln und Düsseldorf ebenfalls drei Mal. Ganz zu schweigen von dem französischen Double, das er anno 1989 mit Marseille feierte.

7.  Selbstverständlich trug Allofs auch den Adler auf der Brust, absolvierte ehedem 56 Länderspiele und avancierte gar 1980 zum Europameister. Die Lorbeeren des Torschützenkönigs bei dieser italienischen Euro durfte sich Allofs dank dreier Treffer ebenso umhängen, nachdem er diese während einer höchstpersönlichen Sternstunde allesamt den Niederlanden in der Vorrunde eingeschenkt hatte.

8. Jene Treffsicherheit wurde Allofs auch lange als Manager von Werder Bremen nachgesagt, indem er etwa weithin unbekannte Kicker zumeist kostengünstig an die Weser lotste, die dann bei Werder groß herauskamen. Allen voran werden hier oft die Herren Micoud, Diego oder Özil genannt. Fast vergessen werden an dieser Stelle leider fast genauso oft die fabulösen Verteidiger Mladen Krstajić , Valerien Ismael oder Naldo, die Allofs entdeckte.

9.  Im Oktober 1999 begann Allofs bekanntlich seine Karriere als Werder-Manager, die mit von einer polemischen Prophezeiung begleitet wurde. Max Merkel, seinerzeit messerscharfer BILD-Kolumnist, traute ihm damals nicht einmal zu, in der freien Wirtschaft einen Job als Parkplatzwächter zu übernehmen. Hiervon dürfte sich der autoaffine VfL Wolfsburg fast eineinhalb Jahrzehnte später wohl weniger beeinflussen lassen haben.

10.  Für den Fall, dass Allofs in der Autostadt zum ersten Mal in seiner Managerkarriere einen Trainer entlassen müsste. Ein eigenes Abenteuer auf der Trainerbank dürfte sich der 55-Jährige gewiss ersparen. Denn ein halbes Jahr vor Beginn seiner Managerkarriere bei Werder hatte ihn seine alte Liebe Fortuna Düsseldorf als Cheftrainer entlassen. Allofs Schützlinge hatten zuvor sage und schreibe zehn Spiele in Folge verloren und waren Schlusslicht der 2. Liga. Lang, lang ist dies her…

Sonntag, 18. November 2012

Über Ur-Schreie in die Nachbarschaft

André Zechbauer ist seit der Saison 1976/77 Anhänger des FC Bayern München und seit 1987 Bayern-Mitglied. Nach Jahrzehnten auf Fußballtribünen im In- und Ausland, beobachtet er die Geschehnisse rund um den Rekordmeister mittlerweile durch die Fernglasperspektive. Und das macht er seit mehr als vier Jahren kritisch und pointiert in seinem Blog »Fernglas FCB«.

Wie der FC Bayern-Experte den bisherigen Saisonverlauf seines Lieblingsklubs einschätzt oder was er etwa von dem Duo Jupp Heynckes/Matthias Sammer oder Javi Martinez hält? Der Libero hat  nachgefragt und der FCB-Blogger stand Rede und Antwort…
 
1. André, die erste Frage ist wohl unvermeidlich. Das „Finale dahoam“ ist nun einige Monate her. Ist es Dir eigentlich mittlerweile gelungen, es zu verdauen?  Und war es Dein schlimmstes Erlebnis als Bayern-Fan?

Ich habe während des Spiels natürlich viel geflucht, diverse Ur-Schreie in die Nachbarschaft gebrüllt und ab der Halbzeitpause durchgehend gestanden, aber erstaunlicherweise hatte ich die Niederlage relativ schnell verarbeitet. Schon einen Tag später habe ich das Ganze ziemlich nüchtern analysieren können. So bitter es ist, aber in diesen Spielen zählt: Keine Fehler machen und die Fehler der anderen Mannschaft gnadenlos ausnutzen zu können. Das war 1975 so, als wir – schmeichelhaft ausgedrückt - „sehr effektiv“ Leeds United schlugen; das war 1987 in Wien und 1999 in Barcelona so – und so war es eben auch in München im vergangenen Mai.

Mich hat vor dem Spiel schon gestört, dass kaum jemand von Chelsea sprach, sondern nur vom „Finale dahoam“ – die Fokussierung auf Chelseas Stärken fehlte mir in der öffentlichen Wahrnehmung.

Meiner Meinung nach hatte Jupp Heynckes, so sehr ich ihn schätze, großen Anteil an der Niederlage. Vor einem solchen Spiel musst du Elfmeter trainieren – und sei es nur für die Psyche. Außerdem müssen die Schützen festgelegt, nein – in Stein gemeißelt, sein. So ein Abwehrfehler wie vor dem Ausgleichstreffer Drogbas darf nicht passieren, wenn Du gut auf den Gegner vorbereitet bist. Schon gar nicht zwei Minuten vor Ende der Partie. Das alles hat nicht gestimmt und wäre durch exzellente Vorbereitung zu verhindern gewesen. So gewinnt man dann eben auch kein Finale in der Champions League. Wer weiß das besser, als wir Bayern?!

Mein schlimmstes Fußball-Erlebnis war das Finale 1999 gegen Manchester United – und das wird es wohl auch bleiben. Zum einen weil ich damals im Stadion war, zum anderen weil ich bis zu diesem Spiel schon zwei Jahrzehnte auf einen Titelgewinn in der Königsklasse hin gefiebert und die Schmach von Wien im Jahr 1987 im Prater-Stadion miterlebt hatte.

2. Die aktuelle Saison läuft für die Bayern bisher überaus glänzend, der Name Deines Blogs steht wieder symbolisch für den Abstand zu den Verfolgern. Was meinst Du, was springt am Ende der Saison für die Bayern heraus und welche Rolle spielt dabei Borussia Dortmund?

Am Ende sind wir Meister und hoffentlich auch Pokalsieger. Die Champions League ist die große Unbekannte, aber ich hoffe in London 2013 dabei sein zu können.

Natürlich ist Borussia Dortmund aufgrund des Spielerpotenzials und der Spielweise neben Bayern das Top-Team der Liga, auch wenn Schalke seit Beginn der letzten Saison enorm konstant auf hohem Niveau spielt. Der Unterschied zum letzten Spieljahr ist aber, dass nicht wir sondern die Dortmunder hin und wieder schwächeln. Schalke hat einfach das Pech ausgerechnet in ihrer stärksten Phase zwei bärenstarke Konkurrenten erwischt zu haben. Am Ende hoffe ich nur, dass sich die deutschen Teams nicht in der Champions League begegnen – das ist immer undankbar für alle Beteiligten. Ein Selbstläufer wird allerdings auch diese Meisterschaftssaison nicht.

3. Maßgeblich am erfolgreichen Saisonverlauf beteiligt ist Cheftrainer Jupp Heynckes. Wie beurteilst Du seine Zukunft an der Säbener Straße und die Zusammenarbeit mit Matthias Sammer?

Im Moment läuft alles großartig und dann sind alle Seiten immer gerne bereit, Verträge zu verlängern. Bayern braucht aber eine langfristige Alternative zu Heynckes, aufgrund seines Alters. Ich habe nichts gegen zwei weitere Jahre mit ihm, aber nach ihm sehe ich nur Top-Leute wie Mourinho oder meinen Favorit Pep Guardiola. Beide passen exzellent zum FC Bayern. Klopp, Fink, Babbel, Tuchel oder auch Slomka sehe ich da einfach nicht.

Was das Duo Sammer-Heynckes angeht, wird viel geschrieben und hinein interpretiert. Ich will nicht rumfloskeln, aber wichtig ist doch nur dass alle am gleichen Strang ziehen, weil alle das Gleiche wollen. Matthias Sammer ist mit seiner Einstellung und Akribie beim FCB genau richtig.

4. Heynckes Vorgänger, der heutige Bondscoach, Louis van Gaal sorgte zuletzt mit seinen Aussagen über die vermeintliche Allmacht von Uli Hoeneß für einige Kontroversen. Welche Sicht der Dinge hast Du?

Van Gaal ist in sein Spiegelbild verliebt, so wie Narziss – nur war Narziss vermutlich schöner als Louis van Gaal. Wenn jemand unbelehrbar und wenig kritikfähig ist, wird es mit der Bayern-Führung und gerade mit Uli Hoeneß schwierig. Hoeneß hat sich damals für die Mannschaft und gegen van Gaal entschieden. Etwas anderes konnte er auch gar nicht tun. Natürlich ist Hoeneß aufgrund seiner Leistungen für den Verein auf eine gewisse Weise allmächtig, aber van Gaal war eben nur Trainer – da muss man sich auch unterordnen können und kompromissbereit sein. Ich bin kein Freund von solchen Nachtretereien über die Medien, aber van Gaal ist in seinem Stolz verletzt – da waren seine jetzigen Aussagen durchaus zu erwarten. Schade, wir hatten auch viel Spaß mit ihm.

5. Lass uns über kostspielige „Premiumtransfers“ sprechen.  Javi Martinez ließen sich die Münchner bekanntlich gute 40 Millionen Euro kosten. Wie bewertest Du den Transfer und den bisherige Rolle des Basken bei den Bayern?

Ich betrachte den Transfer nicht nur über die Ablösesumme – der Spielertyp Martínez ist für den Verein extrem wichtig. Er hat angedeutet, was er alles kann – und ich fand das sehr beeindruckend. Seine Zeit wird noch kommen, aber man muss schon genau hinsehen um seine Qualität einordnen zu können: Nerven- und Zweikampfstärke, Ballbehauptung, Raumgefühl – und er kann fantastische Pässe schlagen. Die Qualitätsdichte im defensiven Mittelfeld ist mit ihm besser geworden, das zwingt Gustavo und auch Schweinsteiger zu Top-Leistungen.

Ganz abgesehen davon glaube ich, dass der Transfer auch eine „politische“ Bedeutung hatte. „Sehr her, wir Bayern können da auch mithalten und müssen nicht mal Schulden machen“ – das ist eine Zäsur zu bisherigen Transferperioden. Es zeigt den anderen Top-Klubs und Top-Spielern: Bayern ist endgültig ganz oben angekommen. Sportlich und wirtschaftlich gibt es da ohnehin keinen Zweifel mehr.

 
6. Im Rückblick auf Deine ganzen Jahre als Bayern-Daumendrücker: welcher ist für Dich eigentlich der beste Transfer, den der FC Bayern bzw. Uli Hoeneß je getätigt hat?

Der beste Transfer war der von Karlheinz Rummenigge zu Inter Mailand. Das hat den Verein damals gerettet und die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Hinzu kommen natürlich Transfers wie die von Matthäus, Elber, Pizarro – die allesamt äußerst lohnend waren.

7. Zum Schluss bitte ich Dich um ein paar Worte zum „Geburtstagskind“ Bundesliga, die sich in ihrer Jubiläumssaison befindet. Welches war für Dich das schönste Erlebnis mit ihr und wer ist Dein ewiger Bundesliga-Held?

Das schönste Liga-Erlebnis für mich war die Meisterschaft 1986.Vor 74.000 Zuschauern ein 6:0-Sieg gegen Gladbach am letzten Spieltag - und im Stadion hat den Kantersieg niemanden interessiert, weil wir nur auf die Anzeigentafel schielten, wie es denn in Stuttgart steht. Bremen verlor und wir hatten es tatsächlich noch geschafft, Das war fantastisch!

Das last-minute-Tor von Andersson in Hamburg 2001 habe ich selbst nicht miterleben können, da ich zu der Zeit in Irland studierte. Wäre ich in Hamburg dabei gewesen, wäre das sicher mein Favorit geworden.
 
Mit Fußball-Helden ist das so eine Sache. Persönlich mochte ich besonders Mehmet Scholl und Bixente Lizarazu – als Kind war es Rummenigge. Aber diese Drei stehen jetzt auch nicht gerade exemplarisch für Heldentaten. Ich habe keinen wirklichen Helden im Fußball.

Vielen Dank für das Interview!

Mittwoch, 14. November 2012

Lost in Amsterdam

Fürwahr, es sind viele kapitale Kapitel, die die Historie deutsch-niederländischer Länderspiele umfasst. Vor fast jedem Duell wird unterdessen fernab jeglicher Rivalitäten die traurige Episode von Zoltan Sebescen erzählt. Rund um das Millenium galt der damalige Wolfsburger etwa auf dem rechten Flügel als einer der wenigen Verheißungen in der dunklen Ära deutschen Rumpelfußballs. Im Februar des EM-Jahres 2000 ließ Teamchef Erich Ribbeck daher den gebürtigen Schwaben mit den ungarischen Ahnen in der nagelneuen AmsterdamArena debütieren.

Ribbecks grünbeleibte Elf gab damals den Sparringspartner für ihre spielfreudigen niederländischen Nachbarn, die  Co-Gastgeber der bevorstehenden Euro waren. Sebescen selbst fand sich nicht etwa im rechten Mittelfeld wieder.  Ribbeck versetze ihn auf die ungewohnte Position des rechten Außenverteidigers. Auf dem Rasen reihte sich der oft  überfordert wirkende Debütant sofort in die Geflogenheiten Ribbeck’scher Rasenrumpeleien ein und verlief sich ebenso oft wie seine Mitspieler Matthäus, Ziege oder Babbel im niederländischen Kurzpasswirbel.


Dazu düpierte ihn gleich mehrmals der niederländische Dribbler Boudewijn Zenden, der nach Stellungsfehlern Sebescens einen Treffer vorbereitete und einen weiteren selbst in Olli Kahns Tor wuchtete. Sebescens Auftritt dauerte letztlich 45 Minuten, da ihn Ribbeck in der Halbzeit in der Kabine ließ.  Aus Sebescens Debüt, ironischerweise mit der Beckenbauer'schen Numero fünf auf dem Rücken, sollte zugleich sein Endspiel mit dem Adler auf der Brust werden und lässt sich wohl am besten mit dem Etikett „Lost in Amsterdam“ beschreiben. Seither umweht ihn jene tragische Melodie des personifizierten „One-Hit-Wonders“ in der deutschen Nationalelf.  

Für manche mag er mit seinem Auftritt gar auf einer Umlaufbahn mit einer gewissen Sarah Connor schweben, der es einmal gelang, sich singend an der deutschen Hymne zu „verbrühen“. Doch derlei Singsang täte Sebescen mehr als Unrecht. Zu seinem Wohle sei daher erwähnt, dass er nach einem späteren Wechsel zu Bayer Leverkusen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Werkself 2002 ins Glasgower Champions League-Finale einzog. Schließlich sollte selbst ein Lothar Matthäus, an jenem Amsterdamer Abend übrigens fast 40-jähriger deutscher Kapitän, auch einmal in der Nationalelf - zufällig gegen die Niederlande - debütieren.

Und was machte der übermotivierte Jungspund Matthäus bei einer deutlichen deutschen 3:0-Führung im Auftaktkick der Euro' 80? Er fällte in seiner ersten Aktion nach seiner Einwechslung den niederländischen Rechtsaußen Willy van den Kerkhoff im Strafraum. Das zog einen Elfmeter nach sich, der wiederum zum ersten von zwei Anschlusstreffern führte, die später beinahe im Ausgleich der Oranjes gemündet wären. Der Rekordnationalspieler musste danach fast geschlagene eineinhalb Jahre warten, ehe Derwall ihn sein 2.von später 150 Länderspielen absolvieren ließ.


Zum Schluss dieser Sebescen-Episode soll einer bisweilen landläufigen Annahme widersprochen werden. Denn es ist nicht jener Sebescen, der sich mit erwähntem 45 minütigen Auftritt, die Lorbeeren des Nationalkickers mit der kürzesten Einsatzzeit ever ans Haupt heften darf. Dies darf vielmehr der frühere Stuttgarter Bernd Martin tun, der anno 1979 im walisischen Wrexham für drei Minütchen den Adler auf der Brust trug...

 

Samstag, 3. November 2012

Gras fressen auf der Alm

In der vergangenen Pokalwoche duellierte sich der drittklassige Traditionsklub Arminia Bielefeld mit Bayer Leverkusen.  Der Libero saß an diesem spannenden Mittwochabend auf der Bielefelder Haupttribüne und beobachtete im einstigen „Stadion auf der Alm“, wie ackernde Arminen „Gras fraßen“, laute Leverkusener Fans lärmten und der schnelle Schürrle per Picke Bayers Siegtor ins Bielefelder Herz pfefferte... 


Per kesser Plakatkundmachung: „Wir bereiten Euch ordentlich Kopfschmerzen!“ hatte Arminia Bielefeld seinen hochfavorisierten Gast aus Leverkusen bereits Wochen vor der Zweitrundenpartie Willkommen geheißen. Und diese Aktion bescherte den mittlerweile drittklassigen Arminen nicht nur bundesweites Aufsehen.

Sie belegt daneben, wie sehr der ostwestfälische Traditionsklub offenbar dem großen Pokalabend entgegenfiebert haben muss. Jenes Pokalfieber flankierte im Übrigen Arminias handliches wie wunderbares Stadionmagazin Halbvier, das zum einen auf traditionell erfolglose Bielefelder Pokalteilnahmen zurückblickte und sich zum anderen umso mehr an Arminias Halbfinalgastspielen anno 2004 und 2006 erfreute.




Was das Aufsehen angeht, da konnten auch die Leverkusener mithalten. Hatten diese doch erst kürzlich bei Bayern München nach 23 Jahren wieder einen Sieg feiern können. Doch selbst mit diesem Triumph im Gepäck sollte die Werkself erleben, wie die tapferen Arminen ihre Kopfschmerzandrohung wahr machten und dank eines Kontertores früh in Führung gingen. Auf der Haupttribüne sprudelte es da vor lauter Euphorie aus einigen kernigeren Arminia-Anhängern nur so heraus, die begeistert feststellten: „Heute wird auf der Alm endlich mal wieder richtig Gras gefressen!“

„Gras fressen auf der Alm“, das passte zu diesem offenen Schlagabtausch. Vor allem die unermüdlich ackernden Arminen taten dies zuweilen mit harten Bandagen und retteten sich nach zwischenzeitlichem Rückstand wenige Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit per direkt verwandeltem Freistoß noch in die Verlängerung . „Die Alm“, die Arminen-Arena, die schon lange nicht mehr so heißt, bebte, pulsierte und erinnerte zuweilen an die Atmosphäre in einem englischen Stadion.


In besagter Verlängerung sollte diese Ausgelassenheit jedoch verkaterter Nüchternheit weichen, als Bayers herausragender Nationalkicker Andre Schürrle den ihn verfolgenden Arminen die Hacken zeigte und Bayers 3:2-Siegtreffer  pfiffig per Picke ins Bielefelder Netz pfefferte. Nach Ertönen des Schlusspfiffs feierten dann Schürrle & Kollegen ihren hart errungenen Achtelfinaleinzug vor dem gut besetzen wie erstaunlich stimmgewaltigen Leverkusener Gästeblock.

Und zur Überraschung vieler wurde es dort, wie bereits im Laufe der 120 Spielminuten, überaus laut. Schon vor dem Anpfiff hatten böse Bielefelder Zungen in Gedenken an gestrige Vorurteile gestaunt, dass die am Gästeblock sitzende Polizeihundertschaft früher doch stets ein Zwanzigfaches der mitgereisten „Leverkusener Schlaftabletten“ dargestellt habe…