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Montag, 7. September 2015

Schottische Stippvisiten

Gastspiele der deutschen Nationalelf in Schottland gibt es nicht häufig. Bei sechs Auftritten gelang einzig anno 1993 im Ibrox-Park von Glasgow ein Sieg. Im ehrwürdigen Glasgower Hampden Park konnte eine deutsche Nationalmannschaft bisher noch nie gewinnen. Das letzte Duell liegt bereits zwölf Jahre zurück, als die Elf von Teamchef Rudi Völler mit einem 1:1-Remis einen schwer erkämpften Punkt für die Qualifikation für die Euro 2004 in Portugal holte. Ähnlich rar gesät wie deutsche Gastspiele oder gar Siege in Schottland sind im Übrigen Stippvisiten kaledonischer Kicker in der Bundesliga. Deren Anzahl lässt sich getrost an einer Hand abzählen.

Allen voran Borussia Dortmund, deren Fans eine Freundschaft mit Celtic Glasgow verbindet, empfing einst gleich ein schottisches Trio mit offenen Armen. Den Anfang machte Ende der achtziger Jahre Murdo MacLeod, der drei Jahre lang im schwarz-gelben BVB-Dress großen Respekt erfightete, 1989 den DFB-Pokalsieg feierte und den es nach über 100 Einsätzen in Richtung Heimat zurückkehrte. Nächster Schotte beim BVB war ein gutes Jahrzehnt später Paul Lambert, der vom sagenumwobenen FC Motherwell nach Westfalen kam und sich wie MacLeod robust ackernd im Mittelfeld der Schwarz-Gelben Meriten verdiente. Bei seiner einjährigen Stippvisite errang Lambert mit dem BVB den Champions League-Titel 1997 und legte in jenem Königsklassenfinale gegen Juventus Turin souverän einen gewissen Zinedine Zidane an die Kette. Unscheibarer als Aston Villas heutiger Coach war der dritte schwarz-gelbe Schotte Scott Booth, den es nach seinem Bundesliga-»Ehrentreffer“ rasch weiter in die nahen Niederlande zog.

Der allererste Import eines schottischen Kickers in die Bundesliga gelang im Übrigen anno 1984 dem großen HSV in Person seines Managers Günter Netzer. Denn ein Jahr nach dem Abschied von Horst Hrubesch drängte nicht nur Ernst Happel auf einem Erben für das verkaufte »Kopfballungeheuer“. Netzer schien in Schottland fündig geworden zu sein, indem er den bulligen Mittelstürmer Mark McGhee vom FC Aberdeen verpflichtete.
Doch, glaubt man dem gut informierten HSV-Blog Matz ab, reagierte Netzer beim Empfang am Flughafen etwas verwundert, als er den kantigen Mark McGhee erblickte. Angeblich Netzer hatte offenbar einen anderen Schotten als McGhee, den selbst der SPIEGEL 1985 in einem Interview mit Netzer salopp als Flop brandmarkte, erwartet. McGhee, der heute der Assistent von Schottlands Nationalcoach Gordon Strachan ist, geizte beim HSV mit Toren und erzielte schottisch-sparsame sieben Treffer in 30 Bundesligaeinsätzen. Nach der Saison verabschiedete sich McGhee zu Celtic Glasgow und sorgte nach der wenig schmeichelhaften Erinnerung von Matz ab sorgte McGhee »eher für Lacher denn für Schrecken beim Gegner«.

Selbst der FC Bayern München leistete sich weiland einen Schotten. Der hieß Alan McInally, wurde nur Mac gerufen. In der Saison 1989/90 bildete er mit dem schillernden Jugoslawen Radoslav Mihaijlovic ein Sturmduo, das klangvollen Spitznamen »Mic und Mac« erhielt. McInallys Bilanz: Neben zehn Bundesligatoren und dem Meistertitel 1990 kursiert noch jene schöne Anekdote, die von der Volksnähe McInallys zeugt. So schickte Bayern-Trainer Jupp Heynckes McInally einst am engen Hamburger Millerntor zum Warmlaufen an die Seitenlinie, wo er sich seine Zeit der Legende nach damit vertrieb, einen kräftigen Schluck aus einem Bierbecher zu nehmen, dem ihm gastfreundliche St. Pauli-Fans durch den Zaun gereicht hatten. Wie erstaunlich, dass dem munteren McInally nach seiner Einwechslung dennoch das Zielwasser fehlte. Der FC St. Pauli rang den Bayern an jenem Abend immerhin ein nullzunull ab...

Am heutigen Montag dem Weltmeister ein solches nullzunull  abzutrotzen. Indeed, eigentlich wäre das auch für die Schotten um ihren Assistenzcoach Mark McGhee schon ein veritabler Erfolg. Es würde wohl kaum erstaunen, wenn die stets kampfstarken Schotten hierfür im heimischen Hampden Park dieselbigen zuweilen dichtmachen werden. Doch trotz aller hiermit verbundenen Meriten sind auch für die Schotten drei Punkte im Kampf um Platz drei in der EM-Qualifikation Trumpf. Besonders nach der jüngsten Niederlage der Schotten in Georgien.

Freitag, 4. September 2015

Wasserschlacht wie anno '74?

Deutschland gegen Polen im Waldstadion in Frankfurt am Main? Da war doch etwas. Richtig, die Wasserschlacht der WM 1974, als die Elf rund um Kapitän Franz Beckenbauer, Paule Breitner und Gerd Müller auch bereits weiße Hosen trugen. Da letzterer einmal Bumm machte, gewann die Nationalelf und zog ins legendäre WM-Finale von München ein. Das Ende ist hinlänglich bekannt.

Ob es heute Abend in Frankfurt wieder regnet, wird sich zeigen. Ein 1:0-Sieg könnte der amtierende Weltmeister gegen die polnischen Gäste wohl erneut ganz gut gebrauchen, um rasch die letzten Zweifel einer souveränen EM-Quali zu beseitigen. Wie gut, dass Jogi Löw ebenfalls einen Müller mit der Dreizehn auf dem Rücken mitspielen lässt, der Bumm machen könnte...


Dienstag, 2. September 2014

Gestatten, »Capitano« Schweinsteiger!

Ritterschlag? Jogi Löw hat heute Bastian Schweinsteiger zum neuen Kapitän der deutschen Nationalelf ernannt. Selbst der guten, alten Tagesschau war jene Ernennung ein eigener Bericht in ihrer 20 Uhr-Ausgabe wert, bevor das Wetter von morgen verkündet wurde.

Schweinsteiger hat mittlerweile 108 Länderspiele auf dem Buckel. Nach asbachuralter DFB-Tradition wäre wohl eher Schweinis Buddy Lukas Podolski mit 116 Einsätzen als Nachfolger von Philipp Lahm an der Reihe gewesen. Doch diese Gepflogenheit spielt beim DFB ja gottlob keine Rolle mehr. Löws folgerichtige Entscheidung für eine Inthronisierung Schweinsteigers war durchaus erwartbar. Etwa in Würdigung seiner vielen  Verdienste um die Nationalelf und nicht zuletzt wegen seines für manche gladiatorenhaft anmutenden Kampfes just im erfolgreichen WM-Finale gegen Argentinien. Daher schlägt Schweinsteiger den Weg zu seinem letzten großen Turnier bei der Euro 2016 in Frankreich nunmehr mit der Binde am Arm  ein. 

Wer weiß, ob er bis dahin als ganz vorbildlicher Kapitän auch mal wieder das eine oder andere Testländerspiele absolvieren wird? Oder wer weiß, vielleicht gelingt unter dem Spielführer Schweinsteiger gar ein historisches Novum: der Gewinn des EM-Titels als amtierender Weltmeister. Was wir schon fest wissen: man sollte, wenn ich mich recht entsinne, es nur tunlichst vermeiden, Herrn Schweinsteiger »Chefchen« zu nennen. Das kommt nicht so gut.

Nachdem Jogi Löw »Schweini« nun die Binde heute sozusagen übergestreift hat, folgt nun eine kleine Twitterschau, die den neuen »Capitano« aber nicht durchweg hochleben lässt...





Samstag, 12. Juli 2014

Maracanã kann kommen

Liebe Leserinnen und Leser,

habt Ihr nach dem "surrealen" (Trainer Baade) deutschen 7:1-Triumph von Belo Horizonte gegen Brasilien auch endlich Eure Sprache wiedergefunden?

Nun ruft Rio. Nun ruft das Maracanã, in dem Jogis Jungs morgen Abend im WM-Finale auf Argentinien treffen. Buenos Dias Argentina. Die gute, alte Sportschau hat aus diesem Anlass bereits auf ihrem Twitterkanal auf die sogenannte 24-Jahre-Regel hingewiesen.          


Doch dem nicht genug. Denn, an dieser Stelle soll nun ein weiteres Omen beschworen werden. Dies besagt, dass die Nationalelf noch keines ihrer beiden WM-Endspiele gegen Argentinien verlor, wenn sie in einem  weißen Trikot spielte. Anno 1986 unterlagen Kalle Rummenigge und Kollegen noch in grüner Kluft in der Hitze von Mexico City mit 2:3. Während anno 1990, als die Albiceleste dank Andreas Brehmes goldenen Elfmetertors besiegt wurde, Beckenbauers Mannen in weiß jubilierten und Maradona im blauen Trikot mit tränenreichem Pathos die knappe Pleite betrauerte. Der Grund für die Beschwörung des Trikot-Omens?

Deutschland wird am Sonntag im Maracanã erneut im weißen Dress auflaufen, während die Argentinien so wie 1990 ein blaues Trikot tragen muss. Ob es wohl hilft?

Apropos Hilfe, besonders geholfen hat bei jenem 1990er Erfolg hat übrigens Guido Buchwald, von dem dieser Finaltage häufiger in den Medien die Rede ist. Etwa, wenn er in Interviews empfiehlt, Argentiniens kleinen Zehner, diesen gewissen Lionel Messi, an die Kette zu legen.

Denn Buchwald, das schlaksige Idol des VfB Stuttgart muss es ja wissen. Gell, da war was. Buchwald und Argentinien! Richtig, es war Buchwalds Sternstunde, als  in jener Finalnacht von Rom Diego Maradona manndeckend an die Kette legte und dann aus heiterstem Himmel im Eifer des WM-Endspielgefechts Außerirdisches geschah. Der als ungelenk etikettierte Buchwald sollte Maradona himself düpieren. Nicht mit einer Grätsche, mit einem Übersteiger - und wird seitdem „Diego“ gerufen. Maradona bekam, im Vorstopper-Jargon gesagt, keinen Stich.

Zurück ins jetzt: Schaun mer mal, wer in Rio Weltmeister wird. Und, schaun mer mal, wer in Guido Buchwalds Fußstapfen treten wird. Wer weiß, vielleicht wird es der große Per Mertesacker sein. Mertesacker, den man nach einem erfolgreichen Endspieleinsatz auf den Rasenrechtecken von Pattensen bis Paris dereinst Lionel oder gar ausschließlich Messi rufen wird -in der Tat "Messi" Mertesacker hätte doch was! Unweigerlich, Maracanã kann kommen...  

Dienstag, 1. Juli 2014

Neuer Libero

Der Vater aller Liberos, »Kaiser Franz«, sagte einst: »Geht's raus und spuits Fußball.« Fußball. Haben Jogis Jungs in jenem absurden WM-Achtelfinale am Montag eigentlich auch eine Art Fußball gespielt? Fernab solcher rhetorischer Fragen schlugen Jogis Jungs jedenfalls jene achtbaren Algerier auf der Rasierklinge reitend mit 2:1. Die Entdeckung dieses surrealen Abends von Porto Alegre war indes nicht der zähe deutsche Viertelfinaleinzug nach Verlängerung.

Béla Réthy brachte es vielmehr im gewohnt sonoren Sound auf den Punkt, als er im Angesicht von Manuel Neuers toller Rettungstaten zu meiner großen Freude proklamierte: »Der Libero ist zurück!« Da fehlte Neuer eigentlich  nur noch die obligatorische Nummer Fünf auf seinem breiten Rücken, um ganz auf Beckenbauers und Augenthalers Spuren zu wandeln.

Zur Würdigung für »Manu, den Libero«, folgt nun hier eine kleine Twitterschau, in der selbst »Kaiser Franz« seinen Platz findet - provisorische Sperren sind hier gänzlich ausgeschlossen... 






Schaun' mer mal, ob der neu entdeckte Libero auch am Freitag in Rio mit von der Partie sein wird. Was wäre ein WM-Viertelfinal im Maracanã gegen filigrane Franzosen schon ohne ihn...

Montag, 9. Juni 2014

WM-Blogstöckchen do Brasil

Trommelwirbel für die WM in Brasilien. Die Arenen sind quasi fertig. Pelé winkt allerorten, Jogi und seine Jungs sind in ihrem Urwald-Camp angekommen, während Sepp Blatter sich angeblich an der Copacabana schon den ersten Sonnenbrand geholt hat. Dazu wirft das WM-Eröffnungsspiel am Donnerstag zwischen Brasilien und Kroatien seine Schatten voraus.
 
WM hier, WM da, WM überall. Freunde, ich meine, die Zeit ist reif für ein WM-Blogstöckchen do Brasil, das ich hiermit auf seine Reise schicke! Und so funktioniert es: Fragen (und Aktionslogo) kopieren und im eigenen Blog beantworten. Ob auf Zuwurf oder mit Aufheben des Stöckchens, entscheidet Ihr ganz alleine. Macht mit! Zum Auftakt werfe ich das Stöckchen zu Trainer Baade und in das FCS-Blog 2.0.
 
Foto: der-libero.de

 
Die Fragen:
 
Mein erstes bewusstes WM-Erlebnis war?
 
Es war das Eröffnungsspiel der WM 1990 in Italien. Kamerun schlug im nagelneuen San Siro sensationell den amtierenden Weltmeister Argentinien. Held der unzähmbaren Löwen war aber nicht etwa Roger Milla und ließ an der Eckfahne seine Hüften kreisen. Er hieß François Omam-Biyik, der das Tor des Tages schoss. Diego Maradona machte in seiner besten Szene dieses Eröffnungsspiels riesengroße Augen. Mir erging es mit meinen acht Jahren nicht anders. Diego und ich hatten beide von diesem François Omam-Biyik, jenem Kameruner mit der gelben Nummer sieben, noch nie zuvor etwas gehört.
 
Mit welcher WM-Legende würde ich gern einmal Doppelpass spielen?
 
Definitiv mit dem »Kaiser«, mit Franz Beckenbauer. Doppelpässe so von Libero zu Libero hätten doch was, oder? Da macht es auch nichts, dass mein Außenrist seine besten Zeiten noch nie erlebt hat. Nebenbei könnte mir der »Kaiser« im Vertrauen erklären, wie die Sache mit der WM-Vergabe an Katar tatsächlich gelaufen ist. Also, sozusagen wer da mit wem, wo und wie einfache und doppelte Doppelpässe gespielt hat...
 
Welchem TV-Kommentator werde ich bei der WM gerne zuhören?
 
Allen Unkenrufen zum Trotze Béla Réthy. Vielleicht liegt es daran, dass ich mit Réthys Kommentaren aufgewachsen bin. Oder daran, dass Béla Réthy für mich meist überzeugend wie sachlich auf Ballhöhe kommentiert, die Ereignisse auf dem Rasenrechteck eigentlich ganz gut einordnen kann und ich ihn selten einen armenisch-isländischen Zungenbrecher falsch aussprechen gehört habe. Ich behaupte sogar: Béla Réthy, der Mann der Fußball-Fakten, kann das Gras wachsen hören!
 
Die Iren haben sich für die WM am Zuckerhut leider nicht qualifiziert. Welchem weiteren Land drücke ich neben Jogis Jungs als »Zweitteam« die Daumen?
 
Trotz diverser exotischerer Alternativen fällt meine Wahl auf England. Wer sich so akribisch wie das Fußballmutterland in seiner WM-Vorbereitung mit Winterkleidung und Mützen auf mögliche Hitzeschlachten am Zuckerhut einstellt, dessen Anstrengungen sollen mit wohlwollender Unterstützung gewürdigt werden.
 
Zu Jogis Jungs: Meine beiden Lieblingskicker aus dem deutschen Kader sind?
 
Erstens Per Mertesacker, denn einer wie Merte muss in der deutschen Defensive ja den Überblick behalten, die Ruhe bewahren oder besser gesagt den Ton angeben. Und zweitens Thomas Müller, denn kein anderer deutscher Spieler kann von Krämpfen geschüttelt solch schöne Tore schießen, so unorthodoxe Dinge aus dem Rasenrechteck tun, seine Mitspieler mitreißen und so launig bei der Hymne zwinkern wie das »Bömberchen der Nation«.
 
Wie weit kommen Jogis Jungs?
 
Angeblich sollen Jogis Jungs zwar #bereitwienie sein. Doch mein Bauchgefühl sagt mir, mit dem WM-Titel wird das nichts. Trotz oder wegen Jogi Löw, der falschen Neun oder den klimatischen Bedingungen befürchte ich, dass das Erreichen des Halbfinales das höchste der Gefühle sein wird. Vielleicht mag es sich auch als Trugschluss des Bundestrainers erweisen, in ein physisch wie psychisch herausforderndes Turnier zu gehen, wenn das namhafteste Viertel des Kaders mehr oder weniger angeschlagen ist...
 
(Wenn nicht Jogis Jungs:) Wer wird am 13.07.2014 im Maracanã Weltmeister?
 
Da nicht bei jedem WM-Turnier in Brasilien Uruguay Weltmeister werden kann, halte ich es mit Lothar Matthäus: Weltmeister wird Argentinien. Denn die Gauchos tragen nicht nur das schönste Trikot bei dieser WM, die Albiceleste verfügen über einen erfahrenen wie individuell und taktisch ausgewogenen Kader mit einem gewissen Lionel Messi als sogenanntes Sahnehäubchen. Und welcher handfester Argentinier möchte halt nicht ausgerechnet in Brasilien Weltmeister werden.
 

Sonntag, 20. Oktober 2013

Über Jogi Löw und seine »Spielwiese im Paradies«

Schau an: der DFB hat den Vertrag von Joachim, Jogi, Löw und seines Trainerteams bis 2016 verlängert. Ausgerechnet »Kaiser« Franz Beckenbauer, unter dessen Regentschaft die Nationalelf 1990 letztmals einen WM-Titel gewann, gratulierte als einer der ersten: »Der DFB und Löw passen zusammen. Auf der einen Seite hast du einen Weltklasse-Verband und auf der anderen Seite einen Weltklasse-Trainer. Ich kann beiden Parteien nur zu der Entscheidung gratulieren.«

Um Sinn und Unsinn dieser Maßnahme in Anbetracht der bevorstehenden WM in Brasilien  oder um »Titelhuberei« [sic] soll es hier nicht gehen, ebenso wenig um eng anliegende hellblaue Pullover, leichte Seidenschals oder Löws prägnanten alemannischen Akzent. Mit högsch'der Sorgfalt ausgesucht, präsentiert »Der Libero« nun zehn Fakten über den aktuellen Bundestrainer:

1. Um zu Beginn etwaigen Irritationen zu begegnen. Jogi Löw kann als Trainer durchaus Titel gewinnen. Immerhin holte er mit dem FC Tirol Innsbruck anno 2002 die österreichische Meisterschaft Österreichs, mit dem VfB Stuttgart, inklusive des Magischen Dreiecks Bobic-Balakov-Elber, errang Löw 1997 gegen Energie Cottbus den DFB-Pokal.

2. Als Spieler in den 70er und 80er Jahren blieben Löw derartige Triumphe versagt. Immerhin berief ihn sein Leib- und Magenklub SC Freiburg 2010 zum Ehrenspielführer. Eine Ehre, die beim SC davor seit 1927 lediglich fünf Spielern zuteil wurde.

3. Ehre, wem Ehre gebührt. Schließlich ist der einstige Stürmer mit 81 Treffern noch immer Rekordtorschütze des SC Freiburg. Alle seine Treffer erzielte Löw übrigens für die Breisgauer in der 2. Bundesliga. Es war eine Zeit, als Volker Finke noch genauso weit vom Trainerjob an der Dreisam entfernt schien wie Löw von seinem Amt als Bundestrainer.

4. Eine klangvolle Karriere als A-Nationalspieler oder gar ein A-Länderspiel blieb Löw verwehrt. Im allerersten Länderspiel des neu gegründeten U 21-Juniorennationalteams 1979 in Polen wurde Löw von Trainer Berti Vogts für Thomas Allofs zur Halbzeit eingewechselt und stürmte damals Seite an Seite mit zwei späteren Weltmeistern von 1990. Richtig, Löw gehörte zur Generation um Pierre Littbarski, Rudi Völler und einem gewissen Lothar Matthäus.

5. Insgesamt heuerte Löw als Spieler (252 Einsätze) zwischen 1978 und 1989 gleich dreimal beim SC Freiburg an. Zwischendurch versuchte sich der heute 53-Jährige mehrmals in der Bundesliga und brachte es dort auf insgesamt 52 Einsätze und sieben Tore. Die faz etikettierte diese Bilanz einmal nüchtern als eine »unauffällige Spielerkarriere«.

6. Seine Stippvisiten in der Bundesliga absolvierte Löw beim VfB Stuttgart, Karlsruher SC und bei Eintracht Frankfurt. Was sämtliche Stationen gemein hatten? Offenbar ganz »Traditionalist« kickte Löw in der Bundesliga ausschließlich bei Gründungsmitgliedern und kam anders als in Freiburg nirgendwo über eine Joker-Rolle hinaus.

7. Als Vereinstrainer coachte Löw in den 90er Jahren mit dem VfB Stuttgart und dem Karlsruher SC gleich zwei seiner drei Klubs, für die er in der Bundesliga die Stiefel geschnürt hatte. Mit dem VFB erreichte er 1998 gar das Europapokalfinale der Pokalsieger, unterlag dort aber dem FC Chelsea. Im Ausland trainierte Löw als Proficoach mehr oder weniger glücklos unter anderem in der Schweiz den FC Winterthur, in Österreich neben Innsbruck Rekordmeister Austria Wien sowie in der Türkei Fenerbahce Istanbul und Adanaspor.

8. Als Bundestrainer steht Löw im Duell gegen England im Wembleystadion vor seinem 100. Länderspiel und ist der zehnte Nationaltrainer in der Geschichte der Nationalelf. Bei jedem seiner bisherigen drei Turniere erreichte Löw mit der Nationalelf mindestens das Halbfinale.

9. Jener kleine Kreis an Nationalspielern, die der in der Konfliktkommunikation als - sagen wir einmal - eher scheu geltende Löw aus diversen Gründen nicht mehr berücksichtigt (hat), liest sich zugegebenermaßen wie ein kleines Who is Who des deutschen Fußballs: Ballack, Frings, Kuranyi, Kießling, Weidenfeller. Im Wartestand: Gomez, Hummels, Großkreutz und Klinsmann.

10. Verdächtig oft wurde der feinsinnige Jogi Löw in seiner Amtszeit als Bundestrainer von Günter Netzer goutiert, der sich in Kritikphasen häufig in Kolumnen oder Interviews hinter Löw stellt. Schier zeitlos stilbildend ist hier wohl folgende Netzer'sche Antwort in einem faz-Interview während der WM in Südafrika. Im Übrigen auf die Frage, ob er Löw böse wäre, wenn dieser nach jener WM hinschmeißen sollte:

»Ja, ich wäre Löw böse, wenn er aufhört. Das ist wirklich so. Ich mag ihn sehr, ich schätze ihn sehr. Es gibt überhaupt keinen Grund hinzuschmeißen. Diese Mannschaft ist sein Werk - und dieser Weg ist noch lange nicht abgeschlossen. Das gibt man nicht auf. Und es gibt auch weit und breit keinen besseren Job für ihn. Es sei denn, er hat das Kapitel Nationaltrainer für sich erledigt und er möchte in den Klubfußball und jeden Tag die Spieler um sich haben. Das ist das einzige Argument, das ich akzeptieren würde. Aber die Voraussetzungen, die er bei der Nationalmannschaft vorfindet, gibt es nirgendwo sonst. Das ist eine Spielwiese im Paradies.«
 

Sonntag, 13. Oktober 2013

Auf zum Zuckerhut

Viva Colonia! Köln war am Freitagabend für die deutsche Nationalelf wieder einmal ein gutes Pflaster. Dank eines hochverdienten 3:0-Sieges gegen erwartbar kampfstarke Iren, die in Spiel eins nach der Entlassung von Giovanni Trapattoni eine vielbeinige Variante eine irischen Catenaccios aufzogen, qualifizierten sich die Nationalelf für die WM 2014 in Brasilien. Die besten Iren des Abends waren neben den fantastischen mitgereisten Fans, Irlands toller Torwart Forde und der ergraute irische Barde Johnny Logan, der einst zweimal den ESC gewann und vor dem Anpfiff anmutig die irische Hymne Amhrán na bhFiann schmetterte.

Nach den siegreichen 90 Minuten dröhnte selbstverständlich das erwähnte Viva Colonia aus den Kölner Stadionlautsprechern. Jogis Löwen drehten währenddessen pflichtbewusst ihre Ehrenrunde und die Zuschauer schwenkten dazu artig ihre Fähnchen. Alles ansprechend für die Menschen vor den Fernsehschirmen, wie diese früher im Sprech öffentlich-rechtlicher Sendeanstalten hießen, durchchoreografiert. Zu spüren war auf dem Rasenrechteck allerorten Erleichterung. Darüber, die hohen Erwartungen als Gruppenfavorit erfüllt und das verheißene WM-Ticket gelöst zu haben. Überschwänglich jubelnd in die Arme gefallen sind sich Jogis Löwen freilich nicht. Allerorten ansteckender Enthusiasmus auf dem Rasen und den Rängen sieht doch etwas anders aus. Oder nicht? Der Funke sprang leider nicht so über, wie etwa im verregneten November 1989 in Köln.

Ich erinnere mich, wie im einstigen Müngersdorfer Stadion der Fußballnation ein kollektiver Stein vom Herzen fiel, als Lokalmatador Thomas Häßler gegen wackere Waliser mit seinem Siegtor das zum 1990er WM-Ticket löste und den Weg zum WM-Titel in Italien ebnete. Die von Teamchef Franz Beckenbauer trainierte Elf um Lothar Matthäus, Rudi Völler oder Andy Brehme schien Begeisterung entfachen zu können. Ein knappes Vierteljahrhundert später sind die Konstellationen, Vorzeichen und auch die Mentalitäten sowie Spielkultur untrüglich andere, so dass ein Vergleich verschiedener Generationen wie so oft a priori hinkt.

Was bleibt, ist das dieser Tage so oft beschworene und in jenem November 1989 zu Grunde gelegte Kölner Omen. Nachdem nun das WM-Ticket wie 1989 erneut in Köln gelöst wurde, dürfen wir demnach verstärkt hoffen und werden gern orakeln, dass Jogis durch dieses Omen gestärkte Nationalelf in Brasilien Weltmeister werden wird. Stören wir uns gar nicht an dem widerstreitenden Omen, wonach es noch nie einer europäischen Nationalmannschaft gelang, in Südamerika zum Weltmeister zu avancieren. Die Neue Osnabrücker Zeitung schrieb am Samstagmorgen dennoch und offenbar in ergebener Gefolgschaft jenes Kölner Omens, der Aufstieg zum Gipfel des Zuckerhuts könne beginnen.

Schaun mer mal, wie beschwerlich dieser Aufstieg 2014 sein wird. Ob der aktuelle Bundestrainer wohl weiß, dass jener Gipfel des knapp 400 Meter hohen Granitfelsens auch per Seilbahn erreichbar ist? Diese Seilbahn heißt übrigens O Bondinho. Das lässt sich zwar hören. Schier ausgeschlossen dürfte indes sein, dass einer der nächsten brasilianische Superstars diesen Namen trägt. Wer will halt schon als Erbe Pelés ausgerufen werden und übersetzt zugleich die Einschienenbahn heißen. In diesem Sinne: auf zum Zuckerhut...

 

Freitag, 11. Oktober 2013

Nebulöser Neuneinhalber

Es ist gar nicht so einfach in der weiten Welt des Fußballs auf Ballhöhe zu bleiben. Die Tage einer Saison vergehen so rasant wie David Odonkor einst über die Flügel sprintete. Verfügte Jogi Löw etwa noch neulich über eine ansprechende Stürmer-Garde, sieht es vor den Länderspielen gegen Irland und in Schweden geradezu mau aus, in der Spitze von Löws Nationalelf. Daher kam mir nun ein Ereignis in den Sinn, welches ich längere Zeit verdrängt hatte. Es geht um einen circa ein Jahr alten Donnerstagskicker, der mir zuletzt in die Hände fiel, als ich das Altpapier entsorgte.

Der Wind blätterte wie in einem schlechten Film die letzte Seite auf und von dort sprach plötzlich eine Bundesliga-Legende exklusiv zu mir.  »Was machen Sie eigentlich, Manni Burgsmüller?« hatte der kicker  den noch immer amtierenden Rekordtorschützen des BVB (135 Treffer) in der Bundesliga gefragt. Und Burgsmüller sollte wortreich davon schwelgen, wie er dank Otto Rehhagel einst als Methusalem Werder Bremens noch mit 38 Jahren die Meisterschale in die Höhe stemmen durfte. Dazu war von seinem Bedauern zu lesen, zum Ende der wilden 70er nur ganze drei Mal den DFB-Adler auf der Brust getragen zu haben.

Burgsmüller unkte, damals  seiner Zeit voraus gewesen zu sein und vorortete sich selbst als »Neuneinhalber« Er sei eine »neuneinhalb« gewesen, fuhr er fort, wie sie Dortmunds Marco Reus oft bei Borussia Mönchengladbach gegeben habe.  Reus sei zwar schneller unterwegs, er selbst, also Burgsmüller, wäre dafür torgefährlicher gewesen. Und siehe da, das schier zeitlose Schlitzohr Burgsmüller unkte weiter, jene Position womöglich erfunden zu haben. Leider hätten die früheren Bundestrainer Derwall und Schön geradezu verkannt, so bedauert Burgsmüller, dass er als zurückgezogene Spitze am stärksten gewesen sei. Keine Rede war hingegen von den seinerzeit kapitalen Konkurrenten wie Kalle Rummenigge oder Klaus Fischer. Was schließt man daraus? Offensichtlich war für derlei nebulöse »Neuneinhalber«, damals die Zeit noch nicht reif, zumindest in der Nationalelf .

Was besagten Klaus Fischer angeht, vergaß good old Manni Burgsmüller allerdings zu erwähnen, wie Fischer anno 1977 in seiner Paradedisziplin gegen die Schweiz das deutsche Tor des Jahrhunderts erzielte. Und Burgsmüller? Der stand an jenem Abend, an dem er im Stuttgarter Neckarstadion sein Debüt mit dem Adler auf der Brust feierte, in der Nähe von Fischers Geniestreich entfernt und schaute dem Schalker »Fallrückzieher-König« zu.


Nur wenige werden im Übrigen wissen, dass Burgsmüller an jenem Abend selbst ein durchaus sehenswertes Fallrückziehertor unter die Unterkante der eidgenössischen Latte zimmerte, welches letztlich nicht zählen sollte. Im YouTube-Kosmos findet man als »Burgsmüller Bicycle Kick«. Dennoch wabert es im Kernschatten von Fischers Jahrhundertor ebenso nebulös vor sich hin wie Burgsmüller weiland den »Neuneinhalber« gab.


Ob Jogi Löw einen juvenilen Burgsmüller gegen Irland in dessen Paraderolle hätte gebrauchen können? Wir werden es nie erfahren...

 

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Blogstöckchen: Länderspielpause

Länderspielpause! Ja, da ist sie. Wie auch das Blogstöckchen, das FCS-Blogger Carsten Pilger in diesen Blog hinüberwarf. Vielen Dank. Ich nehme es gerne auf und bedanke mich ebenso für sein geäußertes Mitgefühl anlässlich des verzichtbaren Segelstreichens meiner Lieblingskicker von Werder Bremen in der 1. Pokalrunde bei Carstens Lieblingsklub, dem 1. FC Saarbrücken.
 
 
 
Doch genug der Einleitung. Auf zur Beantwortung des kleinen Fragenkatalogs, den Carsten an sein Blogstöckchen gebunden hat:
 
Bislang bestes Spiel 2013/2014?
SV Werder Bremen - 1. FC Nürnberg 3:3
Wie sich am Resultat unschwer erkennen lässt, sprang am letzten Septembersonntag für Werder gegen die Glubberer leider kein Heimsieg heraus. Von der vierten Reihe der Südtribüne des Weserstadions aus betrachtet, fühlte sich Werders spielfreudiges Spiel, inklusive einer 2:1-Führung, bis zum Halbzeitpfiff allerdings an, als befinde man sich in den besten Jahren der Schaaf-Ära. Werder endlich wieder wunderbar, ein famoses Gefühl. Selbst, wenn das Endergebnis einen eher derbe in die Realität zurückholte...
 
Absolutes Langweilerspiel 2013/2014?
Färöer-Inseln – Deutschland 0:3 (EM-Quali)
Ein Langweiler? Sicher das deutsche Gastspiel auf den Färöer-Inseln. Die Vorberichte über Land und Leute auf den Schafsinseln im hohen Norden sowie die mediale Erinnerung an die Fredi-Bobic-Gedenkmarke  waren weitaus spannender als die 90 Minuten von Thorshavn. Von denen habe ich lediglich Mertesackers Führungstreffer sowie die windigen Anfangsmomente mitbekommen habe. Erst der Schlusspfiff verbunden mit Gerd Gottlobs finalem Kommentar haben mich wieder geweckt. Gottlob!
 
Welcher Trainer ist mir angenehm positiv aufgefallen?
Thomas Schaaf
Bekanntlich ist Schaaf derzeit ohne Traineramt- und würden. Umso beeindruckender empfand ich es, dass sämtliche mehr oder weniger goutierten HSV-Gerüchte sich als Sturm im boulevardesken Wasserglas herausgestellt haben. Schaaf ist und bleibt halt 100 % Werder!
 
Welcher Trainer nicht?
Jürgen Klopp
Nach Kloppos Narretei von Neapel träume ich noch immer von seiner Grimasse gegenüber dem vierten Offiziellen und wache nachts deshalb bisweilen gar entsetzt auf. Daher wünsche mir, dass nicht so schnell weitere Klopp-Grimassen von den unzähligen TV-Kameras eingefangen werden. Und Kloppo, dass ihm irgendwann infolge dessen verzichtbare Falten erspart bleiben.
 
Welcher mediale Hype hat zuletzt genervt?
Eindeutig die immer wieder medial aufgewärmte »K-Frage«. Es darum, wann und ob Jogi Löw den Martin Max seiner Generation, Stefan Kießling, wieder oder auch nicht nominiert. Völlig gleichgültig ist hierbei, ob Bayer Leverkusens blonder Franke nun zu stark, international zu schwach oder doch Deutschlands in der Tat letzter Mittelstürmer sein sollte. Ich befürchte, dass Jogi eher Per Mertesacker als »echten Neuner vom Range eines Horst Hrubesch« ausruft, bevor »Kieß« zum  nationalen Notnagel erklärt wird.  Also, die  »K-Frage« ist doch längst ausgekocht...
 
Meine Mannschaft hat bislang…
…elf Punkte auf dem Konto und sollte rasch mindestens weitere 24 sammeln, damit der von »Kaiser Franz« orakelte Abstieg Werders tatsächlich kein Thema wird...
 
In der Länderspielpause werde ich…
…ganz genau hinschauen, ob irgendein irischer Nationalkicker (#Abwehrrecke, #Stopper) Werders Defensive die notwendige Robustheit verpassen könnte.
 
Blogstöckchen - das Prinzip:
Fragen kopieren, im eigenen Blog beantworten. Ob auf Zuwurf oder mit Aufheben des Stöckchens, entscheidet Ihr ganz alleine. Alles kann, nichts muss! Ich werfe das Stöckchen mal weiter zu »Im Schatten der Tribüne« und zu »Catenaccio«.

Foto: der-Libero.de
 

Mittwoch, 14. November 2012

Lost in Amsterdam

Fürwahr, es sind viele kapitale Kapitel, die die Historie deutsch-niederländischer Länderspiele umfasst. Vor fast jedem Duell wird unterdessen fernab jeglicher Rivalitäten die traurige Episode von Zoltan Sebescen erzählt. Rund um das Millenium galt der damalige Wolfsburger etwa auf dem rechten Flügel als einer der wenigen Verheißungen in der dunklen Ära deutschen Rumpelfußballs. Im Februar des EM-Jahres 2000 ließ Teamchef Erich Ribbeck daher den gebürtigen Schwaben mit den ungarischen Ahnen in der nagelneuen AmsterdamArena debütieren.

Ribbecks grünbeleibte Elf gab damals den Sparringspartner für ihre spielfreudigen niederländischen Nachbarn, die  Co-Gastgeber der bevorstehenden Euro waren. Sebescen selbst fand sich nicht etwa im rechten Mittelfeld wieder.  Ribbeck versetze ihn auf die ungewohnte Position des rechten Außenverteidigers. Auf dem Rasen reihte sich der oft  überfordert wirkende Debütant sofort in die Geflogenheiten Ribbeck’scher Rasenrumpeleien ein und verlief sich ebenso oft wie seine Mitspieler Matthäus, Ziege oder Babbel im niederländischen Kurzpasswirbel.


Dazu düpierte ihn gleich mehrmals der niederländische Dribbler Boudewijn Zenden, der nach Stellungsfehlern Sebescens einen Treffer vorbereitete und einen weiteren selbst in Olli Kahns Tor wuchtete. Sebescens Auftritt dauerte letztlich 45 Minuten, da ihn Ribbeck in der Halbzeit in der Kabine ließ.  Aus Sebescens Debüt, ironischerweise mit der Beckenbauer'schen Numero fünf auf dem Rücken, sollte zugleich sein Endspiel mit dem Adler auf der Brust werden und lässt sich wohl am besten mit dem Etikett „Lost in Amsterdam“ beschreiben. Seither umweht ihn jene tragische Melodie des personifizierten „One-Hit-Wonders“ in der deutschen Nationalelf.  

Für manche mag er mit seinem Auftritt gar auf einer Umlaufbahn mit einer gewissen Sarah Connor schweben, der es einmal gelang, sich singend an der deutschen Hymne zu „verbrühen“. Doch derlei Singsang täte Sebescen mehr als Unrecht. Zu seinem Wohle sei daher erwähnt, dass er nach einem späteren Wechsel zu Bayer Leverkusen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Werkself 2002 ins Glasgower Champions League-Finale einzog. Schließlich sollte selbst ein Lothar Matthäus, an jenem Amsterdamer Abend übrigens fast 40-jähriger deutscher Kapitän, auch einmal in der Nationalelf - zufällig gegen die Niederlande - debütieren.

Und was machte der übermotivierte Jungspund Matthäus bei einer deutlichen deutschen 3:0-Führung im Auftaktkick der Euro' 80? Er fällte in seiner ersten Aktion nach seiner Einwechslung den niederländischen Rechtsaußen Willy van den Kerkhoff im Strafraum. Das zog einen Elfmeter nach sich, der wiederum zum ersten von zwei Anschlusstreffern führte, die später beinahe im Ausgleich der Oranjes gemündet wären. Der Rekordnationalspieler musste danach fast geschlagene eineinhalb Jahre warten, ehe Derwall ihn sein 2.von später 150 Länderspielen absolvieren ließ.


Zum Schluss dieser Sebescen-Episode soll einer bisweilen landläufigen Annahme widersprochen werden. Denn es ist nicht jener Sebescen, der sich mit erwähntem 45 minütigen Auftritt, die Lorbeeren des Nationalkickers mit der kürzesten Einsatzzeit ever ans Haupt heften darf. Dies darf vielmehr der frühere Stuttgarter Bernd Martin tun, der anno 1979 im walisischen Wrexham für drei Minütchen den Adler auf der Brust trug...

 

Dienstag, 16. Oktober 2012

Als Rahn kam, schoss und siegte...

Alter Schwede! Meist reißen einen Länderspielabende das skandinavische Königreich nicht gerade vom Hocker, selbst wenn die oft farblosen schwedischen Kicker ihren gelben Dress tragen und Zlatan Ibrahimovic vorneweg stolziert. Das war nicht immer so. Einmal geschah gar Denkwürdiges, als der Gladbacher Uwe Rahn gegen die Nordlichter sein Nationaelfdebüt feierte.

Uwe Rahn? In den 80ern war der blonde Mittelspieler durchaus eine große Nummer. 1987 avancierte der Gladbacher sogar zum Bundesligatorschützenkönig und zum Fußballer des Jahres , woraufhin ihn PSV Eindhoven als Nachfolger von Ruud Gullit verpflichten wollte. Doch nicht nur in Holland war Rahn nach seinem annus mirablis gefragt. Wie Bayern-Legende Klaus Augenthaler einst in einem Tagesspiegel-Interview verriet, strapazierte in den 80ern auch Bayern-Trainer Jupp Heynckes mit seinen Rahn'schen Schwelgereien erheblich die Nerven seiner Stars :

„Jupp Heynckes hat als Trainer bei den Bayern immer von Uwe Rahn gesprochen, der unter ihm in Mönchengladbach Fußballer des Jahres geworden ist: Uwe hat dies gemacht, Uwe hat jenes gemacht. Ich weiß doch, was die Jungs gedacht haben: Dann soll er den Uwe Rahn eben holen.“

Doch, zurück zu Rahns Premiere. Die spielte sich fast auf den Tag genau vor 28 Jahren am 14.Oktober 1984 in Köln im Müngersdorfer Stadion ab. Und da das Quali-Duell für die 86er WM in Mexiko gegen biedere Schweden auf eine Nullnummer hinauslief, wechselte Teamchef Beckenbauer Debütant Rahn in der 75. Minute für Spielmacher Felix Magath ein. Und siehe da, der 22-Jährige dankte dies dem „Kaiser“ sozusagen Gewehr bei Fuß.

Nur wenige Sekunden nach seiner Einwechslung schickte ihn Klaus Allofs mit einem Steilpass in Richtung des Kastens der schwedischen Torsteher-Ikone Thomas Ravelli. Und Rahn, der die Cruyff'sche Numero 14 trug, zog ab und durfte mitansehen wie sein erster Ballkontakt an Ravelli vorbei vom Innenpfosten ins schwedische Netz plockte. Tor! Im sonoren Sound von Heribert Faßbender, der ob der sich überschlagenden Ereignisse kaum sein eigenes Tempo halten konnte, hörte sich das im Übrigen so an:

„Uwe Rahn, 22 Jahre kommt zu seinem ersten Länderspiel...[Atempause] und jetzt macht er das Tor! Ich werd wahnsinnig! Das is ja unglaublich! Erster Ballkontakt und dann schießt er das Tor! Ravelli hat keine Chance, ein Billardtor. [...]“






Rahn kam, schoss und siegte. Selbst Beckenbauer wusste augenscheinlich nicht, wie ihm geschah. Dank Rahn und einem späteren Treffer Rummenigges sollte des Kaisers Elf mit Zwozunull siegen und später in Mexiko gar Vize-Weltmeister werden. Dort blieb Rahn einsatzlos und erlebte an diesem Abend von Köln seinen wohl größten Moment mit dem Adler auf der Brust - trotz stolzer fünf Treffer in 14 Einsätzen.

Von jenem Uwe Rahn, so hatte es den Anschein, hat der Kaiser nie so viel gehalten wie weiland Jupp Heynckes. Dennoch sollte Uwe Rahn den roten Bayern-Dress nebenbei gesagt nie tragen...
 
PS.: Der Artikel ist in alternativer Fassung bereits bei Thor Waterschei und bei Catenaccio erschienen.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

Talking about Dublin

Im Gälischen trägt Dublin den fast unaussprechlichen Namen Baile Átha Cliath. Wie irlandaffine Zeitgenossen fabulieren dürften, bedeutet dieser Zungenbrecher in etwa so viel wie „Schwarzer Sumpf“. Wenn am Freitagabend Jogis favorisierte Löwen in der WM-Quali in Irlands Hauptstadt gastieren, könnten manche über ein schlechtes Omen unken.

Doch weit gefehlt. Deutsche Nationalteams sind seit 1956 auf der „Grünen Insel“ ungeschlagen. Und da seitdem jede der vier Partien in Dublin stattfand, scheint das schlechte Omen längst im schwarzen Sumpf versunken zu sein. Drei der Duelle stiegen im legendären Stadion an der Lansdowne Road, wo so manche Begegnung zum deutschen Debütantenball geriet. Etwa im Mai 1979, als Bundestrainer Jupp Derwall gegen damals schwache Boys in Green German Greenhorns wie Bernd Schuster, Dieter Hoeneß oder Jimmy Hartwig ihre Premiere mit dem Adler auf der Brust feiern ließ.

Morgen Abend werden die beiden Hymnen im Aviva Stadium erklingen. Das letzte deutsche Gastspiel fand 2007 im Croke Park statt, wo Jogi Jungs dank einer Nullnummer das Ticket für die 2008er Euro lösten. Croke Park ist ansonsten Schauplatz der Länderspiele im Gaelic Football oder Hurling. Nur während der zweijährigen Bauphase des Staidiam Aviva, das  2010 eröffnet und auf dem Grund des abgerissenen Stadions an der Lansdowne Road errichtet wurde, trugen die Iren dort ihre Fußball- und Rugby-Länderspiele aus.

Weder Löw noch Trapattoni werden morgen auf dem grünen "Parkett" des feinen Fußball-Tempels einen Debütantenball veranstalten. Von den irischen Gastgebern darf wie eh und je eine Art Wiedergänger des Kick & Rush erwartet werden, kultiviert durch Trapattonis taktische Finessen, was die defensive Ausrichtung angeht. Die größten Stützen der irischen Eleven sind neben ihrer Kampfkraft ihre fabulösen Fans im Rücken.


Und sonst? Da vertraut "Trap" weiter auf seinen in die Jahre gekommenen Kapitän Robbie Keane, der irischer Rekordtorschütze ist und stolze 121 Länderspiele auf dem Buckel hat. Das spricht zwar eindeutig für den 32-jährigen irischen Senior, der für das Beckham-Klübchen Los Angeles Galaxy auf Torejagd geht - aber auch gegen den irischen Nachwuchs. Als mögliche irische Geheimwaffe hätte im Übrigen ein gewisser Rory Delap eine Rolle spielen können, nachdem sich der Profi von Stoke City in den letzten Jahren einen kapitalen Ruf als irisches Einwurfwunder in der Premier League aufgebaut hat.

Viele der von Mr. Delap mit seinen Händen in gegnerische Sechzehner katapultierten Bälle, von britischen Revolverblättern gern als „bombs“ bezeichnet, wirken zuweilen schärfer als so manche Flanke. Einstige deutsche Einwurfkönige wie Uwe Reinders oder Harald Katemann dürfte da große Augen bekommen. Es gab weiland gar Tage, da wollte selbst Arsenals Arsene Wenger, nachdem seine Abwehr sich von Delaps „bombs“ hat verballhornen lassen, Einwürfe völlig abschaffen. Monsieur Wenger müsste sich erst einmal bei ebay reinklicken, wo in Gedenken an Delap T-Shirts mit dem schmissigen Schriftzug „You’ve been delaped“ auf den Markt geworfen wurden …

Nachdem bei „Trap“ zuletzt Flügelflitzer Damien Duff und Rekordnationalspieler und Keeper Shay Given, beide jenseits der dreißig, den Dienst nach der wenig erfolgreichen Euro quittieren mussten, dürfte der irische Einwurfkönig mit seinen stolzen 36 Jahren für Trapattonis Boys in Green leider doch etwas zu alt sein. By the way, zum elften und letzten Mal streifte Rory Delap anno 2004 den grünen irischen Jersey über. Eine Rückkehr hätte vielleicht einer der größten Würfe von Mr. Delap werden können...

Freitag, 7. September 2012

Kein Kanonenfutter

Hört man Jogi Löw in diesen Tagen vor dem Duell gegen die Färöer-Inseln so reden, könnte man meinen, sie existiert nicht. Löw spricht einfach davon, dass der  Fußball-Zwerg aus dem hohen Norden für Poldi und Kollegen schlichtweg  „kein Kanonenfutter“ sei. Und, das war es. Doch, sie existiert: eine kleine deutsch- färöische Fußballtradition.

Etwas eigenartig wirkt sie, fast schon eigenwillig. In etwa so, wie auf den wenigen Kunstrasenfeldern auf der Inselgruppe die Elfmeterregel ausgelegt wird. Dort darf ein dritter Spieler in das Elfmetergeschehen  eingreifen und dem Schützen den Ball festhalten. Warum? Wegen des heftigen Windes, der über die Färöer weht. Deutsch- färöische Fußballtradition? Genau. Eventuell stehen Günter Netzer und Gerd Delling für diese Tradition, als Netzer und Delling einmal über färöische Fußballfinessen plauderten.


Vielleicht steht aber auch der Balkan-Schwabe Fredi Bobic, Europameister 1996, für diese kleine Tradition. So taucht Bobic doch auf einer Gedenkbriefmarke der FIFA auf, die ihn im Zweikampf gegen grätschende färöische Verteidiger zeigt. Seinerzeit, als amtierender Vize-Weltmeister zeigte Teamchef Rudi Völler noch den deutschen Kickern wie sie über die Rasenrechtecke streunen sollen. Richtig, es gibt nur einen Rudi Völler. Wer erinnert sich noch, als Völler solche Partien wie gegen die Färöer mit der mystischen Melodie „es gibt keine Kleinen mehr“ untermalte. Und ließ bei diesen Gelegenheiten gerne die sagenumwobene „Brechstange“ aus der kreativen Kiste holen. Lang, lang ist es her.

Jogi Löw als einer von Völlers Nachfolgern wird nachgesagt, jene Brechstange derart tief in die DFB-Asservatenkammer verbannt zu haben, dass sie kaum einer wiederfinden kann. Hoffentlich gelingt es Jogis Löwen heute Abend gegen die Färöer mit schnellen Spielzügen, raffinierten Rochaden und vielen Toren ein Trauma des letzten deutsch-färöischen Duells aufzuheben, welches ich als Augenzeuge vor zehn Jahren im damaligen Niedersachsenstadion in Hannover erlitten habe. Ein Trauma dank flotter wie fleißiger Färöer und einfallslosem Völler'schen Quer- und Rückpassgeschiebe mit gleichzeitigen Brechstangenelementen. 

Protagonist jenes absurden Abends war ein gewisser Michael Ballack. Wie fast alle Zuschauer an diesem nasskalten Herbstabend erwartete ich ein Schützenfest und schmunzelte, als der Torhüter der Färöer den Rasen mit einer Pudelmütze betrat und durch den Nieselregen hüpfte. Momente nach dem Anpfiff bekam ich dann gleich Mitleid mit den Gästen aus dem hohen Norden. Es gab Strafstoß, doch der aufgezogene Jubel als Ouvertüre eines torreichen Abends brandete merkwürdig schnell ab. Michael Ballack schnappte sich den Ball, klemmte ihn sich unter den Arm und marschierte majestätischen Schrittes in Richtung Tor.

Am Elfmeterpunkt angekommen legte er den Ball in für ihn arttypischer Haltung, das heißt mit grimmigem Blicke und breiter Brust, auf den Elferpunkt. Jene furchteinflößende Aura schien selbst auf den Tribünen des alten Niedersachsenstadions spürbar. Britische Gazetten sollten Ballacks außerordentliche physische Präsenz später einmal als „arrogance“ bewundern. Den Strafstoß versenkte Ballack humorlos im Stile Johan Neeskens in der Mitte des Tores. Der pudelmützige Keeper der Färöer war kurz zuvor ehrfürchtig in die andere Torecke gehechtet. So, als habe er Ballack eine Kartoffel mit der bloßen Hand zerdrücken sehen. Michael Ballack schien in diesem Moment auf der Höhe seiner Zeit. …

Wider den allgemeine Erwartungen, erstarrten die Fußballer von den Färöer-Inseln danach weder in Ehrfurcht noch ergaben sie sich gegen die Herren Vize-Weltmeister in ihr Schicksal. Vielmehr schien die pomadige Völler-Elf schon Mitte der 2. Hälfte regelrecht am Ende, aufgeweicht vom Regen und der Kampfkraft der wackeren und weithin unterschätzten Gäste. Es hatte den Anschein, als hätten sie noch nie von der einstigen färöischen Sensation gegen Österreich im schwedischen Landskrona gehört.


Dies alles gipfelte in einer Schlussphase mit gnadenlosen Pfiffen bei jedem deutschen Ballkontakt und Szenenapplaus für feinste färöische Flachpässe, über fünf Meter versteht sich. Nachdem sich Völlers Elf nach einem Arne Friedrich-Eigentor und einem Kopfballtreffer Miro Kloses zu einer knappen 2:1-Führung gequält hatte, lief kurz vor dem Abpfiff plötzlich ein kleiner blonder färöischer Angreifer allein auf Olli Kahn zu und zielte auf Kahns Kasten. Im Niedersachsenstadion herrschte einen Moment lang kollektiver Schochzustand. Landskrona in Hannover? Diese atemlose Schrecksekunde war erst beendet, als der Ball an den Innenpfosten klatschte...

Die färöischen Fans jubelten und wedelten euphorisch mit ihren  Fahnen. Während der „Titan“ vor Entsetzen fast „kahnsinnig“ wurde, war Ballack völlig untergetaucht. Das tat ich ihm gleich und flüchtete in Richtung Parkplatz. Dort erzählte man sich später, wie die Völler-Elf das 2:1 gerade so über die Zeit gerettet hatte und wie bei der färöischen Ehrenrunde jener Pudelmützenkeeper fahnenschwenkend durch die Gegend gehüpft war. Die Wikinger seien kein Kanonenfutter gewesen, hieß es dann zwischen hupenden Autos. Jogi Löws warnendes Sätzchen kommt mir daher merkwürdig bekannt vor. So, als wenn er damals auch im Stadion gewesen wäre...

Montag, 27. August 2012

Weichgespielt

Themenwoche „50 Jahre Bundesliga“, Teil 3. Kuschelweich ist die erfolgreichste Weichspülermarke Deutschlands, deren Marktanteil hat sich innerhalb kürzester Zeit mehr als verdreifacht. Ähnlich rasante Steigerungsraten hat die Spezies Kuschelweich wohl auch in der Bundesliga zu verzeichnen. Wie sonst ist es zu erklären, dass BVB-Ikone und Lautsprecher Sammer als Messias an der Säbener Straße gefeiert wird, Fußballdeutschland nach echten Typen schreit und „Chefchen“-Diskussionen über Monate die Gazetten dominieren?  Autor Udo M. bereichert die Themenwoche mit einem „weiteren überflüssigen Beitrag in der emotionalen Debatte um fehlende Häuptlinge und die Sehnsucht nach Alphatieren“.

Blicken wir zurück auf 50 Jahre Bundesliga, dann gilt es nicht lange zu überlegen  – schnell kommen die großen Spieler in den Sinn, die starken Persönlichkeiten, Anführer und Haudegen, die ihre Zeit, zumindest aber ihre Mannschaft und deren Spielweise, geprägt haben. Und heute? Heute beschleicht uns mehr und mehr der Gedanke, dass die Gilde der großen Führungsspieler eine aussterbende ist. Emotionslos, glatt, brav, langweilig – diese Attribute fallen uns ein, wenn wir den Großteil der Bundesligaspieler und insbesondere die deutschen Nationalspieler bewerten. Bezeichnend für die neue Phalanx der Langeweile ist deren Auftreten in den Medien: Die aktuellen deutschen Ikonen wie Neuer, Lahm oder Schweinsteiger treten vor die Mikrofone wie die abgebrühtesten Diplomaten, je nach aktuellem Tabellenrang oder Spielergebnis lächelnd oder mit betroffenem Gesichtsausdruck, ergehen sich ein paar Momente in allgemeinen Floskeln, verschwinden und sind samt ihrer Worte umgehend wieder vergessen.

Foto: Udo M.
Wo sind also eben diese früheren Helden hin, all die Spackos, die munter drauflosplaudern, auf und neben dem Platz ihre Meinung sagen und sich nicht um eventuelle Konsequenzen scheren? In den vergangenen Jahren hat es diese zweifellos in verschiedenen Ausprägungen immer wieder gegeben. Natürlich mag man zu jedem Spieler stehen, wie man will. Wenn etwa Uli Stein den Kaiser als Suppenkasper bezeichnet und aus der DFB-Elf geworfen wird, dann ist das zugegebenermaßen nicht vorbildlich und auch nicht leistungsfördernd. Gleiches gilt für Effenbergs erigierten Mittelfinger. Aber eins sind derartige Stories auf jeden Fall, Skandal hin oder her: Sie sind authentisch und unterhaltsam. Und es sind nicht nur die großen Sprüche, die uns mittlerweile abgehen. Wenn selbst der Friese Dieter Eilts, nicht unbedingt für staatstragende Reden bekannt, dereinst auf eine verklausulierte und mit Konjunktiven überladene Journalistenfrage mit dem Gegenargument antwortete, dass seine Oma, wenn sie ein Bus wäre, hupen könne, dann war das großes Kino – von einem Lars Bender wird man derartiges jedoch nicht hören. Oder ein Mario Basler, der nach Spielschluss in Bezug auf den verantwortlichen Pfeifenmann Kemmling äußert, dieser „müsste heute normalerweise richtig auf die Fresse kriegen“. Letztere Aussage ist ehrlich, mutig - und wird einem heutigen Bundesligastar ebenfalls kaum noch unterlaufen. Für die große Unterhaltung wird weniger denn je der verbale Angriffsfußball verantwortlich sein, hier muss die Journaille auf der Suche nach Spielern mit Profil auf den einen oder anderen Stolperer hoffen, der den dauerüberwachten Zöglingen im echten Leben passiert.

Aber auch hier gilt: Kann man sich einen Holger Badstuber vorstellen, der wie einst St. Paulis Carsten Pröpper betrunken in die Hotellobby pinkelt? Oder Tim Wiese und André Schürrle als Schlägertrupp Basler/Scheuer in einer Pizzeria? Okay, Wiese schon. Aber Schürrle als Prototyp der neuen Generation A wie aalglatt hat im Zweifel noch nie eine Pizzeria von innen gesehen – nicht der Marke „Schürrle“ dienlich, zu ungesund, zu verrucht. Ein Glücksfall boulevardesker Natur, wie ihn der ansonsten eher biedere Gladbacher Torwächter Dariusz Kampa 2005 lieferte, indem er sich vor Journalisten und Kollegen medienwirksam in der Lobby des Mannschaftshotels übergeben musste, wird wohl einmalig bleiben. Die heutige Spielergeneration besäuft sich nicht öffentlich, sondern spielt gemeinsam Tischtennis und trägt dazu als neuzeitliche Hasenpfote einheitliche Energiearmbänder zur Schau. Boatengs kurzfristiger Ausrutscher auf einen vollbusigen C-Promi ist da schon das Höchste der Gefühle. Vermutlich ist es dem Mangel an Alternativen auf seiner Position zu verdanken, dass ihn dieser medial begleitete Fauxpas nicht den Adler gekostet hat.

Aber wie konnte es soweit kommen? Wenn Jogi mit akkurat gefalteten Strenesse-Ärmeln zum großen DFB-Casting läutet, dann wissen die nervösen Teenager, was die Jury von ihnen erwartet. Und die Jungs, die nicht direkt eine Runde weiterkommen, wollen so werden wie die turnusmäßig gekürten Superstars. Starke Charaktere, die sich nicht unterordnen können oder wollen, werden ignoriert bzw. ausgemerzt. Die unrühmliche Ausbootung des Capitanos, zweifellos durch die eigene Verletzung und starke Nachrücker gefördert, war bezeichnend für die Idee Löws und sein Ideal einer neuen Fußballergeneration. Ein Kuranyi, ein Helmes, inzwischen auch ein Wiese, sie alle genügen offenbar nicht eben diesen Löw'schen Ansprüchen der biederen Zurückhaltung.

Domestizieren nennt man es in der Tierwelt, aus wilden Bestien brave Haustiere zu machen. Jogis Jungs sind dabei die Speerspitze im modernen deutschen Fußball, dessen Anforderungsprofil an einen (jungen) Ligaspieler heute ein in vielen Bereichen gänzlich anderes ist als noch vor wenigen Jahren. Bezeichnend ist hier der Umgang mit bzw. in der Öffentlichkeit. Die Spieler sind nicht nur in einer anderen medialen Umwelt groß geworden, sondern werden sehr früh durch Berater und insbesondere die Presseabteilungen der Clubs geschult, eingenordet und gedrillt, wie sie sich im Kontakt mit der Presse zu verhalten haben. Und das Bemerkenswerte daran: Die Spieler gehen heute darauf ein.

Das war früher anders - noch vor zehn Jahren sind die großen Sportmedien wie Kicker und Sport-Bild, natürlich auch die Bild selbst, auf eine gänzlich andere Resonanz innerhalb der Spielerschaft gestoßen, haben dabei Vereinsinteresse und Pressesprecher einfach ignoriert. Die Journalisten hatten nicht nur die Handynummern aller Spieler, sondern konnten sich ohne Wissen des Vereins mit Spielern verabreden, Interviews durchführen und direkt veröffentlichen. Das Bedauern der Pressesprecher des HSV, der Hertha und von Werder Bremen war unüberhörbar, der Situation standen die Clubs allerdings machtlos gegenüber. Ähnliches fatalistisches Lamento gab es von Vereinsseite mit Blick auf die O-Töne der Spieler, die sich unqualifiziert äußerten, sich selbst und den Verein teilweise bloßstellten und damit immer wieder Ärger im Paradies heraufbeschwörten. Aber Medientrainings für Spieler? Heute Gang und Gäbe, vor zehn Jahren in einzelnen Vereinen undenkbar, von der damaligen Spielergeneration belächelt und ignoriert.

Gerade die Boulevardmedien, selbst wenn zum Teil Agreements bestanden, Privatangelegenheiten der Spieler, die nach 22 Uhr vorfielen, nicht zu veröffentlichen, haben den direkten Spielerkontakt gepflegt und perfektioniert, sehr zum Missfallen der Clubverantwortlichen. Wenn Benno Möhlmann früher das Trainingsgelände des HSV verschloss und dann beleidigt mit einer großen Anzahl Journalisten nicht mehr redete, andernorts Stadionverbote für einzelne Pressevertreter erteilt wurden und Bild-Fotografen 50 Meter Abstand zum Trainingsplatz halten mussten, dann zeugte das von einem insgesamt angespannten Verhältnis.



Inzwischen aber hat sich die Situation derart gewandelt, dass selbst zweitklassige Nachwuchskicker sehr wohl überlegen, wie sie sich Medienvertretern gegenüber verhalten und welche unverfänglichen Aussagen sie in Interviews treffen dürfen.

Bei dieser Entwicklung bleibt zweifellos eine Menge Unterhaltungswert auf der Strecke, und so verwundert es kaum, dass Deutschlands Medien nach Leitwölfen schreien, die auf und neben dem Platz den Ton angeben. Ist die gesamte Diskussion also vielleicht eine inszenierte, die den wahren Wert der Alphamännchen für die Mannschaft überinterpretiert? Vielleicht ja. Denn Führungsqualitäten im Fussball kann man auch über spielerische Klasse transportieren, insbesondere wenn das Spielsystem im Vordergrund steht. Der FC Barcelona oder die spanische Nationalelf machen es vor, auch bei Zidane und bei Messi genügt(e) die Leistung auf dem Spielfeld, was zählt ist schließlich „auf‘m Platz“. Diese Perspektive ist bei Ausnahmekönnern ihres Fachs sicher richtig und nachvollziehbar, insgesamt allerdings doch etwas romantisch. Denn so emotionslos und brav, wie sich die deutschen Jungs außerhalb des Spielfeldes gebärden, so wenig ecken sie oftmals auch auf dem Rasen an. Offenbar verhält es sich so, dass aktuell in Deutschland nur der, der sich grundsätzlich traut, den Mund aufzumachen und den eigenen Standpunkt offensiv zu vertreten, vorangehen und führen kann - und als Führungsspieler anerkannt und medial als solcher positioniert wird. Und ganz ehrlich, mehr Spass machen Fußballer mit einer großen Klappe doch auch.

Deshalb nährt ein Motzki Sammer, lebender Gegenentwurf zu Löw, die Hoffnung der schreibenden Zunft und der Fans, die allesamt nach Geschichten und Typen lechzen. Der haarlose Feuerkopf hat schon in Jugendnationalmannschaften bewusst Hierarchien aufgebaut und die Spieler nach kreativen Individualisten, Führungs- und Mannschaftsspielern unterteilt und zusammengestellt. Da sind wir doch ganz besonders gespannt, welche neuen bajuwarischen Häuptlinge die nächsten 50 Jahre Bundesliga dominieren wollen. Schau'n mer mal.

Udo M. (Jahrgang 1977, bekennender Werder-Fan) hat 2003 seine Abschlussarbeit an der Ruhr-Universität Bochum zum Verhältnis zwischen PR und Journalismus im Spannungsfeld der Fußballbundesliga geschrieben, indem er u.a. mit Pressesprechern verschiedener Bundesligaclubs und Sportjournalisten der Fußball-Leitmedien Interviews führte.