Mittwoch, 14. November 2012

Lost in Amsterdam

Fürwahr, es sind viele kapitale Kapitel, die die Historie deutsch-niederländischer Länderspiele umfasst. Vor fast jedem Duell wird unterdessen fernab jeglicher Rivalitäten die traurige Episode von Zoltan Sebescen erzählt. Rund um das Millenium galt der damalige Wolfsburger etwa auf dem rechten Flügel als einer der wenigen Verheißungen in der dunklen Ära deutschen Rumpelfußballs. Im Februar des EM-Jahres 2000 ließ Teamchef Erich Ribbeck daher den gebürtigen Schwaben mit den ungarischen Ahnen in der nagelneuen AmsterdamArena debütieren.

Ribbecks grünbeleibte Elf gab damals den Sparringspartner für ihre spielfreudigen niederländischen Nachbarn, die  Co-Gastgeber der bevorstehenden Euro waren. Sebescen selbst fand sich nicht etwa im rechten Mittelfeld wieder.  Ribbeck versetze ihn auf die ungewohnte Position des rechten Außenverteidigers. Auf dem Rasen reihte sich der oft  überfordert wirkende Debütant sofort in die Geflogenheiten Ribbeck’scher Rasenrumpeleien ein und verlief sich ebenso oft wie seine Mitspieler Matthäus, Ziege oder Babbel im niederländischen Kurzpasswirbel.


Dazu düpierte ihn gleich mehrmals der niederländische Dribbler Boudewijn Zenden, der nach Stellungsfehlern Sebescens einen Treffer vorbereitete und einen weiteren selbst in Olli Kahns Tor wuchtete. Sebescens Auftritt dauerte letztlich 45 Minuten, da ihn Ribbeck in der Halbzeit in der Kabine ließ.  Aus Sebescens Debüt, ironischerweise mit der Beckenbauer'schen Numero fünf auf dem Rücken, sollte zugleich sein Endspiel mit dem Adler auf der Brust werden und lässt sich wohl am besten mit dem Etikett „Lost in Amsterdam“ beschreiben. Seither umweht ihn jene tragische Melodie des personifizierten „One-Hit-Wonders“ in der deutschen Nationalelf.  

Für manche mag er mit seinem Auftritt gar auf einer Umlaufbahn mit einer gewissen Sarah Connor schweben, der es einmal gelang, sich singend an der deutschen Hymne zu „verbrühen“. Doch derlei Singsang täte Sebescen mehr als Unrecht. Zu seinem Wohle sei daher erwähnt, dass er nach einem späteren Wechsel zu Bayer Leverkusen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Werkself 2002 ins Glasgower Champions League-Finale einzog. Schließlich sollte selbst ein Lothar Matthäus, an jenem Amsterdamer Abend übrigens fast 40-jähriger deutscher Kapitän, auch einmal in der Nationalelf - zufällig gegen die Niederlande - debütieren.

Und was machte der übermotivierte Jungspund Matthäus bei einer deutlichen deutschen 3:0-Führung im Auftaktkick der Euro' 80? Er fällte in seiner ersten Aktion nach seiner Einwechslung den niederländischen Rechtsaußen Willy van den Kerkhoff im Strafraum. Das zog einen Elfmeter nach sich, der wiederum zum ersten von zwei Anschlusstreffern führte, die später beinahe im Ausgleich der Oranjes gemündet wären. Der Rekordnationalspieler musste danach fast geschlagene eineinhalb Jahre warten, ehe Derwall ihn sein 2.von später 150 Länderspielen absolvieren ließ.


Zum Schluss dieser Sebescen-Episode soll einer bisweilen landläufigen Annahme widersprochen werden. Denn es ist nicht jener Sebescen, der sich mit erwähntem 45 minütigen Auftritt, die Lorbeeren des Nationalkickers mit der kürzesten Einsatzzeit ever ans Haupt heften darf. Dies darf vielmehr der frühere Stuttgarter Bernd Martin tun, der anno 1979 im walisischen Wrexham für drei Minütchen den Adler auf der Brust trug...

 

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