Freitag, 29. Juni 2012

Die blaue Bestie lebt

Italien, die blaue Bestie lebt. Seit gestern Nacht hat das laute Brüllen von Jogis Löwen bei dieser merkwürdigen Euro in Polen und der Ukraine aufgehört. Ist es falsch zu schreiben, dass sie in Balotelli, "Panenka" Pirlo und den weiteren Azzurris ihren Meister gefunden haben? Oder Jogi Löw „högschtpersönlich“ seinen in Signore Prandelli? Jogi Nationale wird darüber hinwegkommen.

Nur, wie sieht das hingegen bei Schweinsteiger, Gomez und Poldi aus? Sind diese eigentlich zwischenzeitlich wieder aufgetraucht? Denn gestern Nacht war Jogis tragisches Trio ja sozusagen „lost in Warschau“?

Ganz seinem Aberglauben ergeben, war „Kaiser“ Beckenbauer übrigens erst gar nicht nach Warschau gereist. Er wollte anders als bei früheren Halbfinalpleiten der deutschen Elf nicht am Ort des Geschehens erneut die Pechmarie geben. Doch es nutzte nichts.

Und wer hätte es gedacht, des Kaisers Tun scheint auf die Nationalelf keine Wirkung mehr zu haben. Heute ließ sich der „Kaiser“ derart zitieren, dass Jogis Löwen noch „irgendetwas “ zum Titel fehle. Freilich, damit hat er Recht, der Franz. Und wie überraschend, mit dieser Auffassung werden vermutlich nicht wenige auf des „Kaisers“ Spuren wandeln...

Schaun mer mal, wie das große Finale von Kiew nun am Sonntag über die Bühne gehen wird: Spanien versus Italien. Irgendwie lässt einen das sonderbare Gefühl nicht los, als wenn Buffon, Balotelli und die weiteren „blauen Bestien“ gegen Jogis Löwen nicht das letzte Mal bei dieser Euro gejubelt haben. Ob es wohl am Montag im italienischen Blätterwald ähnlich stürmisch wie heute Morgen rauscht?

„Italienische Giganten. Ein Wahnsinns-Balotelli. Wir haben Deutschland eine Fußball-Lektion erteilt. Wir sind im Finale. Die Azzurri haben dem Land die Freude zurückgegeben.“ [Corriere dello Sport]

„Wir sind der Fluch der Deutschen. Die Geschichte wiederholt sich. Deutschland bleibt am Boden, und Italien kommt weiter. Das Finale zu erreichen, das sah erst so aus, als müsse man eine Rakete zum Mond schießen. Doch der Mond kam herab, um eine Squadra zu streicheln, die in zwei Jahren nahezu aus dem Nichts neu aufgebaut worden ist.“ [La Stampa]

„Ein großes Italien, Deutschland muss sich Balotelli geschlagen geben. Es war die schönste Partie, eine Schönheit, entstanden aus dem Wissen um die eigenen Mittel, umgesetzt wie am Reißbrett ausgedacht. Alle haben alles gegeben, sind teilweise neugeboren in dieser Nacht.“ [Corriere della Sera]

„Stolzes Italien. Das war ein überwältigender Auftritt der Azzurri, mit einem wunderbaren Doppelschlag Balotellis und so vielen vergebenen Chancen. [...] Super Balotelli. Ein Stern ist aufgegangen. Ganz Italien feiert. Wir haben es geschafft!!! Deutschland schon wieder geschlagen. Jetzt kommt Spanien dran.“ [La Gazzetta dello Sport]

Donnerstag, 21. Juni 2012

Charisteas Calling

Menschenskind, Griechenland. Wer gemeint hat, den Hellenen fällt bei dieser Euro der Himmel auf den Kopf , der hat wohl auch geglaubt die Holländer würden sich nach 1988 wieder mal mit dem Coupe Henri Delaunay feiern lassen können. Doch nichts da, die zähen Griechen stehen im Viertelfinale, wo Jogis Jungs auf den 2004er Europameister warten. Respekt! Und all das, ganz ohne „Rehakles“ Otto Rehhagel an der Seitenlinie.

Bislang gab diese Begegnung erst einmal bei einer Euro. Anno 1980 waren die Griechen sang- und klanglos schon vorzeitig ausgeschieden, trotzten der Derwall-Elf im letzten Vorrundenspiel dennoch ein müdes 0:0 ab. Derwalls Elf stand als Gruppensieger fest, weshalb Derwall für den bedeutungslosen Kick Reservisten wie Caspar Memering, Kalle Del-Haye oder Mirko Votava (!) aus dem Hut gezaubert hatte. In der Turiner Betonschüssel gab es dann nicht viel mehr als Betonfußball zu bewundern.

Es wird sich wohl daher einzig jenes Reservistentrio gerne an dieses deutsch-griechische Duell erinnern. Nehmen wird die Nullnummer mal als gutes Omen, da die Derwall-Elf später dank „Kopfball-Ungeheuer“ Horst Hrubesch Europameister wurde. Das mit dem Betonfußball soll für Jogis Jungs am Freitag in Danzig anders werden. Von den Griechen ist mutmaßlich nicht mehr zu erwarten.

Ein gewisser Felix Magath stand '80 auch im Derwall'schen Kader. Als WELT Online -Kolumnist legte Magath Jogi Löw bereits ans Herz, in der Offensive bewegliche und spielstarke Kicker wie Klose, Schürrle oder Reus gegen unbewegliche ins Spiel zu bringen. Löws Reaktion hierauf wird sich wohl aus seiner Startelf herauslesen lassen.

Apropos ins Spiel bringen. Nicht mit von der Partie sein wird hingegen Angelos Charisteas, Griechenlands ungelenker EM-Held von 2004. Ganz boulevardesk gesagt tanzte Griechenland damals  dank Charisteas Sirtaki. Ich erinnere mich dunkel an Auto-Korsos nach Griechenlands epochalen griechischen Finalsieg über Portugal, denen sich selbst Autos mit türkischen Fahnen anschlossen.



2012 scheinen die Griechen in einer ähnlichen Spur wie 2004 zu sein: zäh, mauernd und unerschrocken. Ein Sinnbild hierfür ist Ex-Bundesligakicker Theofanis Gekas. Man sieht ihn meist über 90 Minuten nicht und plötzlich schlägt er aus heiterem Himmel zu. Mit diesen Griechen ist also stets zu rechnen. Ein ZEIT-Korrespondent knurrte hierzu nach dem Sieg der Hellenen über Russland: Griechen schleichen sich ins Viertelfinale wie einst in die Euro-Zone“.

Lassen wir das mal so stehen. Mit dem Anschleichen machet er es  fast wie damals Charisteas. Doch spätestens nach diversen Abstechern in der Bundesliga wie unter jenem Magath auf Schalke wissen interessierte Betrachter, Charisteas kommt nicht unbedingt von Charisma. In Holland nannten sie ihn hingegen nach wenig torreichen Stippvisiten bei Ajax und Feyenoord „der gefallene Engel“ und spielten mehr oder weniger subtil auf seinen Vornamen Angelos an.

Was dieser Charisteas wohl heute eigentlich heute so macht? Angeblich kickte er zuletzt  für das griechische Klübchen Panetolikos Agrinio . Ob Otto „Rehakles“ mehr über den „gefallenen Engel“ weiß?

Sonntag, 17. Juni 2012

Nicht ohne einen Schmeichel

Es war einmal vor 20 Jahren, als Dänemark im EM-Endspiel von 1992 den Deutschen zeigte, was eine Harke ist. Die Weitschüsse von John „Faxe“ Jensen und Kim Vilfort, die zum umjubelten 2:0-Triumph von Stockholm führten, gingen nicht nur direkt in Bodo Illgners Tor, sondern mitten ins deutsche Herz. Dänemarks Europameistertitel ist bisher die größte Sensation der EM-Geschichte neben dem griechischen Sieg anno 2004.


Die Geschichte dieser Sensation liest sich nach wie vor so oder so ähnlich. Die nicht zuvor nicht qualifizierten Dänen ersetzten Jugoslawien, kamen quasi vom Strand. Nebenbei verdrückten sie Burger und spielten sich dennoch locker und leicht durch das Turnier. All dass, obwohl Dänemarks Coach Möller-Nielsen den dänischen Superstar Michael Laudrup nicht einmal nominiert hat. Doch es war durchaus wohltuend, dass Dänemarks damalige Stars Flemming Povlsen und Peter Schmeichel, wie auch Trainer Baade, zuletzt versucht haben, die allerorten gern erzählte Burger-Legende aus dem Potpourri der EM-Historie zu tilgen. 

Zum ersten Mal seit jenem sagenhaften Abend im Juni 1992 trifft Deutschland heute Abend auf die Dänen. Gewinnen Jogis Löwen oder spielen sie gegen die Bande von Morten Olsen zumindest remis, sind sie Sieger der Gruppe B und treffen auf den Gruppenzweiten der Gruppe A: Griechenand.

Die prominentesten Kicker aus dem dänischen Königreich sind neben Goalgetter Bendtner von Arsenal und Kapitän Agger vom FC Liverpool, die Routiniers Jacobsen und Rommedahl sowie der Holland-Siegtorschütze Krohn-Dehli. Mit Kaspar Schmeichel sitzt der Sohn Peters als fast unsichtbarer dritter Keeper auf der dänischer Ersatzbank.

Wie man sieht, darf bei deutsch-dänischen EM-Duellen ein Schmeichel einfach nicht fehlen. Dänemarks Torwarthüne bewachte nicht nur im 92er EM-Finale das dänische Tor. Er stand bereits bei der EM 88 dabei, als die Dänen gegen die deutschen Gastgeber mit 0:2 unterlagen. Allenfalls, wenn der Fußball-Gott seine Finger im Spiel hat, dürfte Kasper Schmeichel gegen Jogis Löwen zum Einsatz kommen. Durch seine Anwesenheit bleibt der 25-Jährige aber immerhin eine Reminiszenz an die Duelle von 1988 und 1992.


Denn bislang ist die Anzahl von Kaspers Klubs beinah größer als der lange Schatten von Vater Peter, dem einstigen Starkeeper von Manchester United. Vor allem Englands untere Profiligen hat Kasper, zumeist als Leihspieler von Manchester City, bisher abgeklappert. Einmal wurde er mit Notts County Champion der vierten Liga oder hechtete unter anderem für Bury, Darlington oder auch Leeds United durch die Strafräume. 

Mittlerweile ist Kasper Schmeichel in der zweiten Liga angekommen und hütet dort die Pfosten von Leicester City. Auf den ersten Blick, klingt das vielleicht wenig schmeichelhaft. Doch wer weiß, womöglich hat er mit seiner EM-Nominierung die ersten Schritte aus dem langen väterlichen Schatten gemacht...

Samstag, 16. Juni 2012

Réthy im Regen


Als Fußball-Kommentator ist Béla Réthy schier ewig dabei, doch an Réthy scheiden sich die Geister. Die einen halten Réthys Kommentare für kompetent und verleihen ihm Preise. Es existieren gar Poetry-Slammer, die Réthy  in poetischen Höhen erhoben haben und nach dem inneren Béla Réthy suchen.

Den nächsten Fußballfreunden kommen Spiele mit Réthy am Mikro ewig vor, viele von ihnen schimpfen dann auf Réthy wie die Rohrspatzen. Die meisten tun dies mehr oder weniger heimlich vor ihrem Fernseher, vereinzelte sollen sogar den Ton abschalten. Andere wiederum vertwittern ihren Verdruss und bedauern mit deutlich weniger als 140 Zeichen, den Ton nicht abgeschaltet zu haben.

Mache ich mich jetzt etwa angreifbar, wenn ich gestehe, dass ich Réthy meist einfach weiter zuhöre? Und man stelle sich vor, das klappt. Zum Beispiel beim EM-Halbfinale 2008 war das eine perfekte Strategie, da aus heiterem Himmel der Ton ausgefallen war und Réthy das deutsche Duell gegen tapfere Türken im Radio-Stil weiterkommentieren musste. Das ließ sich hören. Doch Réthy hin oder her. Es gibt fürwahr Schlimmeres: deutschen Rumpelfußball anno 2000. Damals spielte es keine gesteigerte Rolle, wer uns die Fehlpässe der Ramelows oder die verkniffene Miene von Teamchef Erich Ribbeck erklärte...

Ja, bei dem gestrigen Vorrundenspiel zwischen der Ukraine und Frankreich schien die Donbass-Arena zu Donezk im Regen zu versinken. Die Euro 2012 hat somit ihre eigene Wasserschlacht, so wie einst die 1974er WM in Frankfurt zwischen Deutschland und Polen. Der Fußball-Gott lässt so etwas nicht allzu oft geschehen und ließ Béla Réthy damit gewaltig im Regen sitzen. Die Partie wurde für 57 Minuten unterbrochen. Réthy war gezwungen, aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Mensch, dabei hat sich Réthy doch stets lieber an Fakten gehalten. Fürwahr, die Erinnerung an den Jauch'schen Dialog mit Marcel Reif wird bei so manchem aufblitzen. Doch anders als in Madrid ging es gestern nicht um ein gefallenes Tor. Es passierte noch mehr, Réthy saß im Regen und ließ in jenen langen 57 Minuten eingehüllt in ein absurdes  Regencape einen vermeintlich harmlosen Satz fallen.Nicht etwa wie vor der Euro, als er in einem belanglosen Sport Bild-Interview erklärte, dass er seine sonore Stimme mit Zigaretten und Salbeibonbons ölt.

Béla Réthy sagte gestern im entnervten Tonfall: „Mensch, jetzt fehlt mir nichts mehr ein!“ An diesem Abend des in der Nachschau zur „Wasserschlacht von Donezk“ bald hochgejazzten ukrainisch-französischen Duells, könnte dieses Sätzchen fürwahr Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker gewesen sein. Vorausgesetzt natürlich, sie hatten den Ton noch nicht abgeschaltet…

Mittwoch, 13. Juni 2012

Kein „Bang Boom Boateng“

Michael Horeni, einer der Biografen Jürgen Klinsmanns, hat passend zur Euro 2012 sein Buch zu den Brüdern Boateng veröffentlicht. Und der geneigte Leser wird sehen, es sind nicht zwei, sondern drei Boatengs. Die berechtigte Frage, wieso der faz-Sportredakteur über Fußballer , die nicht einmal ein Vierteljahrhundert alt sind, ein biografisches Werk verfasst hat, beantwortet der Klappentext.
„Drei Brüder, zwei Mütter, ein Vater, ein Ziel: Fußballprofi werden. Das Buch erzählt vom Aufwachsen in zwei grundverschiedenen Stadtteilen, von Unterstützung und Vernachlässigung in Familie, Schule und Fußballverein, vom Aufstieg im Proffußball bis hin zu den Spitzenklubs – und von Integration und Ausgrenzung.“

Wer sich einen Starschnitt in Buchform im Sinne eines trashigen „Bang Boom Boateng“ erhofft hat, der dürfte bei dieser biografischen Sozialreportage enttäuscht sein. Horeni zeichnet die Karrierelinien des streitbaren „Bad Boys“ Kevin-Prince und des strebsameren Jérôme  kritisch und doch einfühlsam nach und blickt dabei zurück auf die unterschiedliche Herkunft der gebürtigen Berliner. Wie sagt Jérôme selbst: „Kevin hatte es viel schwerer als ich. In Wedding aufzuwachsen ist anders als in Wilmersdorf.“

Dazu bringt Horeni auch den „unsichtbaren Dritten“ Boateng namens George ins Spiel. George war trotz reichlich Talent auf schiefe Bahnen geraten und schaffte es nicht zum Fußballprofi. Kevin-Prince, der nicht an dem Buch mitwirkte, hat ebenfalls einen steinigen Weg hinter sich und beim AC Mailand und als Nationalspieler Ghanas, dem Heimatland des gemeinsamen Vaters, allmählich sein Glück gefunden. Jérôme ist bei Bayern München ganz oben angekommen, steht wie zuletzt beim deutschen EM-Auftakt gegen Portugal meist in Jogi Löws Startelf.

Selbstredend arbeitet sich Horeni an Kevins unvergesslichem Foul an Michael Ballack im englischen Pokalfinale und den nachfolgenden medialen Eruptionen ab, nach denen Kevin vor der WM 2010 so etwas wie der „Staatsfeind Nr. 1“ wurde. Horeni schlägt sich weder auf Kevins Seite oder stellt ihn erneut an den Pranger. Horeni ordnet das Foul und seine Folgen ein, wie z. B. die Boulevardblätter den völlig unbeteiligte Jerome seinerzeit in Sippenhaft nahmen, und eröffnet im Sozialarbeitersound einen differenzierten Blick auf die Geschehnisse.

Unumgänglich war offenbar der allseits bekannte Umstand, dass die Boatengs Großneffen Helmut Rahns sind, obwohl der „Boss“  in den  Karrieren der Boatengs keine Rolle spielt. Wie sagt Kevin selbst so oder so ähnlich: „Mit dem hatten wir doch nie etwas zu tun“.  Wohltuender ist hingegen Horenis Plädoyer für die „Deutsche Internationalmannschaft“, die er als Sinnbild gelungener Integration von jungen Migranten hervorhebt.

Die finale, durchaus ketzerische Frage wird sich indes kaum beantworten lassen. Wird Kevin-Prince „Die Brüder Boateng“ selbst einmal lesen oder wäre ihm ein „Bang Boom Boateng“-Starschnitt nicht doch lieber gewesen? Es würde sich lohnen.

Das Buch (272 Seiten) ist im Tropen-Verlag (ISBN-10: 3608503080) erschienen.

Sonntag, 10. Juni 2012

Der Geist von Ray Houghton

In Irland spielte sich kürzlich Amüsantes ab. Trainer-Veteran Giovanni Trapattoni nominierte für seine Boys in Green einen gewissen Paul Green nach und öffnete damit Tür und Tor zu mannigfaltigen Wortspielen. Was wäre erst gewesen, wenn Trapattoni Irlands einstiges Top-Talent Steven Ireland nachnominiert hätte. Doch Ireland hat bei "Trap" keinen Stein im Brett. Ebenso der irische Einwurfkönig Rory Delap von Stoke City, dessen Einwürfe meist schärfer als so manche Flanke sind …

In gewisser Hinsicht hatte Trap mit seinen Iren übrigens bereits fertig. So etikettierte der 75-Jährige sie als „unkreativstes Team“, welches er je - in vier Jahrzehnten als Trainer - trainiert hat. Die Achse des irischen Spiels besteht aus einer Garde of Old Boys in Green. Da wäre der torgefährliche Kapitän Robbie Keane, Flügelstürmer Damien Duff, Abwehrrecke Richard Dunne und Keeper Shay Given. Alle sind älter als 30 und haben an die 100 Länderspiele auf dem nicht mehr so jungen Buckel…

In der Vorrunde warten auf Irland Welt- und Europameister Spanien, Italien und Kroatien. Es ist zu befürchten, dass die Iren bei der Euro zu sympathischen grünen Farbtupfern werden. Setzt man in der Hoffnung eines Griechenland-Effekts dieser Tage auf Irland als Europameister, lässt sich wohl ein Vermögen erwetten. Mit irischen Siegen bei Turnieren ist es ohnehin so eine Sache. Bislang nahmen Irland drei Mal an einer WM sowie 1988 an einer EM teil. In allen Turnieren zusammen gelangen den Iren in der regulären Spielzeit drei mickrige Siege.

Zwei Mal war dabei der kleine Ray Houghton Siegtorschütze, dessen Geist die Iren derzeit gewaltig umschwebt. Wie etwa beim einzigen irischen WM-Sieg 1994, als frühere wieselflinke Mittelfeldkicker von Aston Villa und des FC Liverpool den legendären Triumph über Italien herbei schoss.


Ray Houghton war ebenso beim wohl größten irischen Sieg ever zur Stelle, als sie bei der Euro 1988 dem ungeliebten England eine der größten Demütigungen ihrer Länderspielgeschichte verpassten. Beim Sieg von Stuttgart überwand der kleine Ray Houghton Englands Goalie Peter Shilton per Kopfball-Bogenlampe, weshalb vermutlich viele Iren des Jahrgangs 1988 heute Ray heißen werden. Irland schied dennoch in der Vorrunde aus und der Sieg von Stuttgart blieb der bisher einzige bei einer Euro.


Vielleicht hätte Trapattoni anstelle jenes Paul Green den nunmehr 54-jährigen Houghton nachnominieren sollen. Doch, vielleicht auch nicht. Denn ein irischer Turniersieg, an dem Houghton unbeteiligt war, bleibt noch übrig. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea schlug Irland Saudi-Arabien glatt mit 3:0.

Und siehe da, damals wie heute sind Torsteher Given, Duff und Keane in Irlands first eleven mit von der Partie. Und Letztere trafen sogar jeweils einmal gegen die Saudis. Das macht Hoffnung für die Euro 2012, Trapattoni kann diesen Ray Houghton daher getrost auf der irischen Insel lassen. Kroatien, Italien und Spanien können also kommen….

Freitag, 8. Juni 2012

Kuba libre

Kennen Sie Kuba? Polens Kapitän wird so genannt. Kuba, das hat aber weniger mit einer Verehrung Fidels oder karibischen Träumen zu tun. Aber wenn man Jakub Błaszczykowski heißt, passt Kuba als polnische Kurzform Jakubs besser aufs Dortmunder Trikot. Bei Länderspielen Polens wird man Kuba vergeblich auf Trikots suchen, dort ein gewaltiges Błaszczykowski auf seinem Rücken prangen.

Seit einigen Jahren wirbelt Kuba nun für Borussia Dortmund über die rechte Flanke. Und, seinen legendären, frankmillesken Schuss über das leere Freiburger Tor wird er wohl nie mehr los. Doch verkörpert er mittlerweile ein Drittel des glorreichen polnischen Trios, das sich der BVB einst nach und nach an Land gezogen hat. Der kampf- und sprintstarke Kuba war dabei etwas überraschend einer jener Antreiber, die den BVB zum historischen Double geführt haben.


Das ist umso bemerkenswerter, als dass dieser Kuba beim BVB mehr oder weniger eine Art Platzhalter für Genius Mario Götze gewesen ist. Da Götze ebenso gut kickt, wie er in den Himmel gelobt wird, war Publikumsliebling Kuba gezwungen, lange Zeit Hufe scharrend auf seine Bewährungschance zu warten. Als Götze langfristig verletzt ausfiel, schlug Kubas Stunde.

Dass in den trubeligen Dortmunder Feiertagen nicht mehr ganz so laut von Genius Götze geschwärmt wurde (wie vielleicht einst von Lars Ricken), darf durchaus als Indiz gewertet werden, dass sich Kuba freigespielt hat von diesem Götze. Selbst Pokalfinal-Kommentator Bela Rethy aus dem Zwoten verortete Kuba bei der Überreichung des DFB-Pokals neben Bundespräsident Gauck in der ersten Reihe.

Und dabei erkannte Rethy, wie der selbstbewusste Kuba mit polnischer Flagge um die Schulter jenem Gauck, die Freiheit des Mithüpfens angedeihte. It sounds like Kuba libre. Diesem Kuba gefiel dies alles augenscheinlich. Vielleicht auch, wie der kicker ihm neulich schmeichelte, indem er ihm eine frappierende Ähnlichkeit mit dem blonden James Bond-Darsteller Daniel Craig unterstellte.

James Bond, der eigentlich Kuba genannt wird, führt Polen zur EM im eigenen Land. Empörte Reaktionen britischer Revolverblätter stehen weiterhin aus. Sie lesen offenbar nicht den kicker. Schließlich würde James Bond, wäre er denn Fußballer, eher eine Zahlenkombination auf seinem Trikot tragen, die am Ende eine 7 enthält. Wohl kaum Kubas Rückennummer „16“, mit der schon Polens Torjäger-Idol Grzegorz Lato weiland über die Spielfelder stürmte.


Wie weit Kuba es mit Polska bei der 2. EM-Teilnahme bringen wird? Griechenland, Russland und Tschechien in der Vorrunde: die Glaskugel bleibt nebelverhangen. Trotz Heimnimbus bleibt Polen wohl nur eine Außenseiterolle, obwohl Polen mitunter gar als Geheimfavorit gehandelt wird. Das drohende EM-Aus wird wohl ein steter Begleiter bei der Euro 2012 sein.

Die Frage, welcher Titel eines James Bond-Streifens hierzu passen könnte, klingt zwar etwas absurd. Doch „Im Angesicht des Todes“ könnte passen, oder nicht?

Mittwoch, 6. Juni 2012

Berni Superstar!

Maskottchen: ungezählte Exemplare ihrer Gattung hoppeln, laufen, flattern und winken durch die Welt. Mal mehr, mal weniger exzentrisch. Sie sollen Glück bringen, sich gut verkaufen und trotz seltsamer Namen (Vorsicht Diminutiv!) und Erscheinung Symbolisches verkörpern. Richtig? Das erste dieser Wesen , das ich kennenlernte? Es war Berni, ein harmloser Hase. Berni war Maskottchen der Euro’88 in Deutschland und stand schon einmal Seite an Seite mit "Kaiser" Franz.



Er trug ein schwarzes Trikot, eine rote Hose (!),  gelbe Stutzen und ein weißes Stirnband. Berni war stets fröhlich, was mich bereits als Kind sehr ansprach. „Berni ist ein sympathischer, enthusiastischer Fußballfan und versinnbildlicht die positive Seite der beliebtesten Sportart der Welt,“ erklärte der DFB Bernis Heiterkeit damals etwas hölzern . Lange glaubte ich, Bernis Name wäre aus einem Schreibfehler resultiert und er hätte als Hommage an einen gewissen Herrn Vogts Berti heißen sollen.

Heute weiß ich, er leitete sich von Bern ab, dem damaligen UEFA-Sitz, und sollte für die deutschen Gastgeber die ach so clevere Brücke zum „Wunder von Bern“ schlagen. Auch die Schweden fanden Berni klasse, zogen ihm vier Jahre später einfach ein gelb-blaue Kluft und ließen ihn bei der Euro'92 durch ihre Stadien hoppeln . Einige meinten, das wäre ideenlos gewesen. Ich meine, das spricht für Berni, für  Berni Superstar. Nun denn an diesem Berti Berni musste sich bei mir seither jedes dieser Wesen messen lassen.

Bei der Euro 2012 erwarten uns nun zwei Gestalten namens Slavek und Slavko. die mit dümmlichen Gesichtern und Starkstromfrisuren, die die einen leicht an die hüpfenden irischen Sänger Jedward erinnern. Focus online sieht in ihnen gar „zwei Trolle auf LSD“. Für die polnischen Gastgeber steht Slavek, der  Kluft und Haare im polnischen rot-weiß trägt. Sein Zwilling Slavko erscheint im ukrainischen gelb-blau. "Naturgemäß" scheiden sich an Wesen wie Slavek und Slavko die Geister.


Doch mit den Namen ihrer Punk-Twins schossen sich die Euro-Organisatoren ein Eigentor. Denn angeblich heißt kein Pole Slavek und kein Ukrainer Slavko, anders als die beauftragte US-Werbeagentur offenbar annahm. Slavek sei ein tschechischer, Slavko ein serbischer oder kroatischer Vorname, meckerte die gestrenge taz. Polens Verbandspräsident Grzegorz Lato hört hingegen auf einen polnischen Vornamen und findet die Zwillinge dennoch ganz toll.

Er habe vor 40 Jahren genauso eine Frisur gehabt, schwelgte Polens heute glatzköpfiges Fußball-Idol. Lato spielte dazu geschickt auf Polens große Fußballära an, die er eben anno 1972 durch den Gewinn der olympischen Goldmedaille mit eingeläutet hatte. Und jener schlitzohrige Lato, weiland Polens gefürchteter Torjäger, flunkerte dann doch etwas, was seine frühere Haarpracht betraf. Voll war stets Latos Torkonto. Nur, stürmte er schon früh mit hoher Stirn und wehender blonder Mähne im Nacken durch die Gegend…

Und Slavek und Slavko? Sie werden hüpfen, winken und uns von Souvenirs angrinsen. Anders als Goleo, dem löwenartigen Maskottchen der WM 2006, haben sie aber zumindest Hosen an. Doch gemach. Auch dieses „winkende Elend“ (Focus online) wird nach dem Finale in Kiew wieder in der Versenkung verschwunden sein. Zum Schluss sage ich nur zwei Worte: Berni Superstar!

Freitag, 1. Juni 2012

Golden Goals

Allerorten werden momentan Parforceritte durch die EM-Historie gewagt. Es lässt sich allerhand über van Basten, Platini, Uli Hoeneß, Panenka undsoweiter nachlesen. Da kommt man auch nicht an Oliver Bierhoff vorbei, der Finalabend der EM 1996 lässt grüßen. Hat sich dieser Bierhoff, den Rudi Völler einmal „Malta-Fuß“ schimpfte, damals in Wembley etwa unsterblich gemacht?

Vielleicht. Vielleicht hat es der Fußball-Gott mit ihm aber einfach nur gut gemeint. Zunächst, als er Bierhoff Bertis Elf mit seinem Ausgleich in die Verlängerung retten ließ. Danach, als er Tschechiens Torsteher Kouba beim „Golden Goal“ Bierhoffs deutlich derangiert danebengreifen ließ. Weniger als maltafüßiger „Mr. Golden Goal“, denn als „Kopfballungeheuer“ verewigte sich Horst Hrubesch.

Und wir haben natürlich Hrubeschs unvergängliche Sentenz im Ohr, die sein Wirken mit Manni Kaltz flankiert: „Ich sach‘ nur zwei Worte: Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor“. Ohne dass Kaltz‘ Flanken  im Endspiel einer sonst tristen 1980er EM sein Haupt erreichten, ereignete sich dort eine von Hrubeschs Sternstunden. Nach dem Anpfiff fand ihn ein Steilpass des juvenilen Bernd Schuster, den das „Kopfballungeheuer“ per Fuß in Jean-Marie Pfaffs Tor versenkte.


Nach dem belgischen Ausgleich , machte das blonde „Kopfballungeheuer“ aus dem Westfälischen seinem Namen alle Ehre und wuchtete mit seiner Stirn Kalle Rummenigges Ecke in Pfaffs Tor.  Es war die 88. Minute und man kann sagen, dieser Horst Hrubesch war nicht der einzige Deutsche, der nun kurz vor dem Abpfiff im  Stadio Olimpico in Rom Kopf stand . In seinem Fußball-Jahrbuch '80 erinnert sich Reporterikone Harry Valérien hieran irritierend nüchtern:

„Die entscheidende Sekunde - Horst Hrubesch befördert den Ball zum 2:1-Sieg ins belgische Tor - natürlich per Kopf, für dessen Wertarbeit der lange Hamburger ja bekannt ist. Karl-Heinz Rummenigge hatte per Eckstoß die Vorarbeit geleistet. Minuten später ertönte der erlösende Schlusspfiff. Geschafft: Deutschland ist zum zweiten Mal Europameister.“

Gewiss, es ist der altväterliche Sound einer anderen Zeit. Mit Bierhoff hat Hrubesch aber nicht nur gemein, in einem EM-Finale doppelt getroffen zu haben. In jener entscheidenden Sekunde erzielte das „Kopfballungeheuer“ sozusagen sein eigenes „Golden Goal“. Der Fußball-Gott ward also auch Hrubesch zugetan. So heißt es: hätte sich „Fallrückzieher-König“ Klaus Fischer nicht verletzt, wäre er nach Italien nicht einmal mitgefahren…