Freitag, 11. Mai 2012

So wie der Himmel auf Erden

Mein Kumpel ist leidenschaftlicher HSV-Anhänger. Meist ist er fanatisch, was  Werder angeht, verfügt aber über ein St. Pauli-Trikot. Ob es damit zu tun hatte, dass er es mit seinem HSV zuletzt ziemlich schwer hatte? Ich weiß es nicht. Ich weiß hingegen, dass der HSV seinem epochalen ersten Abstieg nicht oft näher war als in diesem Frühling 2012. Das olle „Hamburg, meine Perle“ ging meinem Kumpel kaum noch über die Lippen.

Weit öfter stimmte er hingegen Klagelieder an, wonach „der ganze Mist“ mit Manni Kaltz nicht passiert wäre. Da Kaltz, der „König der Bananenflanken“, längst in Rente ist, wurde mein Kumpel kreativ. Er baute sich in einem Karton einen HSV-Schrein, inklusive eines Fotos von „Uns Uwe“, dem HSV-Restprogramm und einer Kerze. Dazu gesellte er einen Gartenzwerg im stilechten HSV-Dress. Wohl wahr. Ich frage mich allerdings noch immer, ob mein Kumpel sich der gefährlichen Symbolik so ganz bewusst war…

Nun denn, nachdem der Schrein erst einmal stand,  gelang es seinem HSV tatsächlich, dem befürchteten Abstieg noch zu entrinnen. Das bedeutet: die ewige HSV-Bundesliga-Uhr läuft weiter. Doch trotz Klassenerhalts verstreicht für den Dino in den roten Hosen ebenso – und recht erbarmungslos - die Zeit ohne Titel. Man sollte wissen, 2012 ereignet sich für den großen, ehrwürdigen HSV ein trauriges Jubiläum: er ist seit 25 Jahren titellos. Daran wird auch das DFB-Pokalfinale zwischen dem BVB und den Bayern nichts ändern.

Es war einmal vor einem Vierteljahrhundert. Genauer gesagt am 12. Juni 1987, als der HSV den DFB-Pokal dank eines 3:1 im Endspiel gegen die damals zweitklassigen Stuttgarter Kickers gewann. Kapitän Thomas von Heesen stemmte den Pott danach in den Himmel. Der stets von meinem Kumpel besungene „König der Bananenflanken“ steuerte gar den vorentscheidenden Treffer zum 2:1 bei.


Vielleicht sollte mein Kumpel seinen Schrein einfach stehen lassen, um das Ende dieses Fluches der Titellosikeit heraufzubeschwören. Denn 2013 wäre das Double theoretisch doch möglich, oder etwa nicht? 30 Jahre nach dem Sieg im 83er Cup der Landesmeister wäre dies für meinen Kumpel so etwas wie der Himmel auf Erden. Gewiss, für mich als Werder-Daumendrücker weniger.

Doch anders als mein Kumpel verzichte ich künftig lieber auf solch krude Schrein- oder Kerzenrituale. Selbst wenn sie dieses Double verhindern würden. Warum? Es war im trüben Herbst 2010: da drohte Werder im Sumpf des Bundesligakellers zu versinken. Daher meinte ich, meinen Werder-Wimpel an der Wand mehrmals umdrehen und (schier voodoohaft) beschwören zu müssen. Unter uns gesagt, es half rein gar nichts.

Als letzter Ausweg schien mir das Anzünden einer grün-weißen Kerze übrig zu bleiben. Eine solche hatte ich in einer Schublade liegen und mich ohnehin gewundert, wie verdächtig deren Design dem Trikot Celtic Glasgows ähnelte. Da Werder schließlich beim VfB Stuttgart (0:7!) unterging wie einst die Titanic, flackerte diese ominöse Kerze nur für einen Nachmittag. Seitdem halte ich solche Rituale für buchstäblicg „verbrannt“.

Schaun’ mer also mal, wie lange mein Kumpel mit diesem Schrein weiter auf den nächsten HSV-Titel warten muss.Ach ja, bevor ich es vergesse. Celtic Glasgow gewann übrigens an besagtem Nachmittag. Nur, was heißt gewann. Celtic zerlegte den FC Aberdeen, ebenso ein 1983er Europapokalsieger, regelrecht: mit sage und schreibe 9:0…

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