Samstag, 16. Juni 2012

Réthy im Regen


Als Fußball-Kommentator ist Béla Réthy schier ewig dabei, doch an Réthy scheiden sich die Geister. Die einen halten Réthys Kommentare für kompetent und verleihen ihm Preise. Es existieren gar Poetry-Slammer, die Réthy  in poetischen Höhen erhoben haben und nach dem inneren Béla Réthy suchen.

Den nächsten Fußballfreunden kommen Spiele mit Réthy am Mikro ewig vor, viele von ihnen schimpfen dann auf Réthy wie die Rohrspatzen. Die meisten tun dies mehr oder weniger heimlich vor ihrem Fernseher, vereinzelte sollen sogar den Ton abschalten. Andere wiederum vertwittern ihren Verdruss und bedauern mit deutlich weniger als 140 Zeichen, den Ton nicht abgeschaltet zu haben.

Mache ich mich jetzt etwa angreifbar, wenn ich gestehe, dass ich Réthy meist einfach weiter zuhöre? Und man stelle sich vor, das klappt. Zum Beispiel beim EM-Halbfinale 2008 war das eine perfekte Strategie, da aus heiterem Himmel der Ton ausgefallen war und Réthy das deutsche Duell gegen tapfere Türken im Radio-Stil weiterkommentieren musste. Das ließ sich hören. Doch Réthy hin oder her. Es gibt fürwahr Schlimmeres: deutschen Rumpelfußball anno 2000. Damals spielte es keine gesteigerte Rolle, wer uns die Fehlpässe der Ramelows oder die verkniffene Miene von Teamchef Erich Ribbeck erklärte...

Ja, bei dem gestrigen Vorrundenspiel zwischen der Ukraine und Frankreich schien die Donbass-Arena zu Donezk im Regen zu versinken. Die Euro 2012 hat somit ihre eigene Wasserschlacht, so wie einst die 1974er WM in Frankfurt zwischen Deutschland und Polen. Der Fußball-Gott lässt so etwas nicht allzu oft geschehen und ließ Béla Réthy damit gewaltig im Regen sitzen. Die Partie wurde für 57 Minuten unterbrochen. Réthy war gezwungen, aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Mensch, dabei hat sich Réthy doch stets lieber an Fakten gehalten. Fürwahr, die Erinnerung an den Jauch'schen Dialog mit Marcel Reif wird bei so manchem aufblitzen. Doch anders als in Madrid ging es gestern nicht um ein gefallenes Tor. Es passierte noch mehr, Réthy saß im Regen und ließ in jenen langen 57 Minuten eingehüllt in ein absurdes  Regencape einen vermeintlich harmlosen Satz fallen.Nicht etwa wie vor der Euro, als er in einem belanglosen Sport Bild-Interview erklärte, dass er seine sonore Stimme mit Zigaretten und Salbeibonbons ölt.

Béla Réthy sagte gestern im entnervten Tonfall: „Mensch, jetzt fehlt mir nichts mehr ein!“ An diesem Abend des in der Nachschau zur „Wasserschlacht von Donezk“ bald hochgejazzten ukrainisch-französischen Duells, könnte dieses Sätzchen fürwahr Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker gewesen sein. Vorausgesetzt natürlich, sie hatten den Ton noch nicht abgeschaltet…

Mittwoch, 13. Juni 2012

Kein „Bang Boom Boateng“

Michael Horeni, einer der Biografen Jürgen Klinsmanns, hat passend zur Euro 2012 sein Buch zu den Brüdern Boateng veröffentlicht. Und der geneigte Leser wird sehen, es sind nicht zwei, sondern drei Boatengs. Die berechtigte Frage, wieso der faz-Sportredakteur über Fußballer , die nicht einmal ein Vierteljahrhundert alt sind, ein biografisches Werk verfasst hat, beantwortet der Klappentext.
„Drei Brüder, zwei Mütter, ein Vater, ein Ziel: Fußballprofi werden. Das Buch erzählt vom Aufwachsen in zwei grundverschiedenen Stadtteilen, von Unterstützung und Vernachlässigung in Familie, Schule und Fußballverein, vom Aufstieg im Proffußball bis hin zu den Spitzenklubs – und von Integration und Ausgrenzung.“

Wer sich einen Starschnitt in Buchform im Sinne eines trashigen „Bang Boom Boateng“ erhofft hat, der dürfte bei dieser biografischen Sozialreportage enttäuscht sein. Horeni zeichnet die Karrierelinien des streitbaren „Bad Boys“ Kevin-Prince und des strebsameren Jérôme  kritisch und doch einfühlsam nach und blickt dabei zurück auf die unterschiedliche Herkunft der gebürtigen Berliner. Wie sagt Jérôme selbst: „Kevin hatte es viel schwerer als ich. In Wedding aufzuwachsen ist anders als in Wilmersdorf.“

Dazu bringt Horeni auch den „unsichtbaren Dritten“ Boateng namens George ins Spiel. George war trotz reichlich Talent auf schiefe Bahnen geraten und schaffte es nicht zum Fußballprofi. Kevin-Prince, der nicht an dem Buch mitwirkte, hat ebenfalls einen steinigen Weg hinter sich und beim AC Mailand und als Nationalspieler Ghanas, dem Heimatland des gemeinsamen Vaters, allmählich sein Glück gefunden. Jérôme ist bei Bayern München ganz oben angekommen, steht wie zuletzt beim deutschen EM-Auftakt gegen Portugal meist in Jogi Löws Startelf.

Selbstredend arbeitet sich Horeni an Kevins unvergesslichem Foul an Michael Ballack im englischen Pokalfinale und den nachfolgenden medialen Eruptionen ab, nach denen Kevin vor der WM 2010 so etwas wie der „Staatsfeind Nr. 1“ wurde. Horeni schlägt sich weder auf Kevins Seite oder stellt ihn erneut an den Pranger. Horeni ordnet das Foul und seine Folgen ein, wie z. B. die Boulevardblätter den völlig unbeteiligte Jerome seinerzeit in Sippenhaft nahmen, und eröffnet im Sozialarbeitersound einen differenzierten Blick auf die Geschehnisse.

Unumgänglich war offenbar der allseits bekannte Umstand, dass die Boatengs Großneffen Helmut Rahns sind, obwohl der „Boss“  in den  Karrieren der Boatengs keine Rolle spielt. Wie sagt Kevin selbst so oder so ähnlich: „Mit dem hatten wir doch nie etwas zu tun“.  Wohltuender ist hingegen Horenis Plädoyer für die „Deutsche Internationalmannschaft“, die er als Sinnbild gelungener Integration von jungen Migranten hervorhebt.

Die finale, durchaus ketzerische Frage wird sich indes kaum beantworten lassen. Wird Kevin-Prince „Die Brüder Boateng“ selbst einmal lesen oder wäre ihm ein „Bang Boom Boateng“-Starschnitt nicht doch lieber gewesen? Es würde sich lohnen.

Das Buch (272 Seiten) ist im Tropen-Verlag (ISBN-10: 3608503080) erschienen.

Sonntag, 10. Juni 2012

Der Geist von Ray Houghton

In Irland spielte sich kürzlich Amüsantes ab. Trainer-Veteran Giovanni Trapattoni nominierte für seine Boys in Green einen gewissen Paul Green nach und öffnete damit Tür und Tor zu mannigfaltigen Wortspielen. Was wäre erst gewesen, wenn Trapattoni Irlands einstiges Top-Talent Steven Ireland nachnominiert hätte. Doch Ireland hat bei "Trap" keinen Stein im Brett. Ebenso der irische Einwurfkönig Rory Delap von Stoke City, dessen Einwürfe meist schärfer als so manche Flanke sind …

In gewisser Hinsicht hatte Trap mit seinen Iren übrigens bereits fertig. So etikettierte der 75-Jährige sie als „unkreativstes Team“, welches er je - in vier Jahrzehnten als Trainer - trainiert hat. Die Achse des irischen Spiels besteht aus einer Garde of Old Boys in Green. Da wäre der torgefährliche Kapitän Robbie Keane, Flügelstürmer Damien Duff, Abwehrrecke Richard Dunne und Keeper Shay Given. Alle sind älter als 30 und haben an die 100 Länderspiele auf dem nicht mehr so jungen Buckel…

In der Vorrunde warten auf Irland Welt- und Europameister Spanien, Italien und Kroatien. Es ist zu befürchten, dass die Iren bei der Euro zu sympathischen grünen Farbtupfern werden. Setzt man in der Hoffnung eines Griechenland-Effekts dieser Tage auf Irland als Europameister, lässt sich wohl ein Vermögen erwetten. Mit irischen Siegen bei Turnieren ist es ohnehin so eine Sache. Bislang nahmen Irland drei Mal an einer WM sowie 1988 an einer EM teil. In allen Turnieren zusammen gelangen den Iren in der regulären Spielzeit drei mickrige Siege.

Zwei Mal war dabei der kleine Ray Houghton Siegtorschütze, dessen Geist die Iren derzeit gewaltig umschwebt. Wie etwa beim einzigen irischen WM-Sieg 1994, als frühere wieselflinke Mittelfeldkicker von Aston Villa und des FC Liverpool den legendären Triumph über Italien herbei schoss.


Ray Houghton war ebenso beim wohl größten irischen Sieg ever zur Stelle, als sie bei der Euro 1988 dem ungeliebten England eine der größten Demütigungen ihrer Länderspielgeschichte verpassten. Beim Sieg von Stuttgart überwand der kleine Ray Houghton Englands Goalie Peter Shilton per Kopfball-Bogenlampe, weshalb vermutlich viele Iren des Jahrgangs 1988 heute Ray heißen werden. Irland schied dennoch in der Vorrunde aus und der Sieg von Stuttgart blieb der bisher einzige bei einer Euro.


Vielleicht hätte Trapattoni anstelle jenes Paul Green den nunmehr 54-jährigen Houghton nachnominieren sollen. Doch, vielleicht auch nicht. Denn ein irischer Turniersieg, an dem Houghton unbeteiligt war, bleibt noch übrig. Bei der WM 2002 in Japan und Südkorea schlug Irland Saudi-Arabien glatt mit 3:0.

Und siehe da, damals wie heute sind Torsteher Given, Duff und Keane in Irlands first eleven mit von der Partie. Und Letztere trafen sogar jeweils einmal gegen die Saudis. Das macht Hoffnung für die Euro 2012, Trapattoni kann diesen Ray Houghton daher getrost auf der irischen Insel lassen. Kroatien, Italien und Spanien können also kommen….

Freitag, 8. Juni 2012

Kuba libre

Kennen Sie Kuba? Polens Kapitän wird so genannt. Kuba, das hat aber weniger mit einer Verehrung Fidels oder karibischen Träumen zu tun. Aber wenn man Jakub Błaszczykowski heißt, passt Kuba als polnische Kurzform Jakubs besser aufs Dortmunder Trikot. Bei Länderspielen Polens wird man Kuba vergeblich auf Trikots suchen, dort ein gewaltiges Błaszczykowski auf seinem Rücken prangen.

Seit einigen Jahren wirbelt Kuba nun für Borussia Dortmund über die rechte Flanke. Und, seinen legendären, frankmillesken Schuss über das leere Freiburger Tor wird er wohl nie mehr los. Doch verkörpert er mittlerweile ein Drittel des glorreichen polnischen Trios, das sich der BVB einst nach und nach an Land gezogen hat. Der kampf- und sprintstarke Kuba war dabei etwas überraschend einer jener Antreiber, die den BVB zum historischen Double geführt haben.


Das ist umso bemerkenswerter, als dass dieser Kuba beim BVB mehr oder weniger eine Art Platzhalter für Genius Mario Götze gewesen ist. Da Götze ebenso gut kickt, wie er in den Himmel gelobt wird, war Publikumsliebling Kuba gezwungen, lange Zeit Hufe scharrend auf seine Bewährungschance zu warten. Als Götze langfristig verletzt ausfiel, schlug Kubas Stunde.

Dass in den trubeligen Dortmunder Feiertagen nicht mehr ganz so laut von Genius Götze geschwärmt wurde (wie vielleicht einst von Lars Ricken), darf durchaus als Indiz gewertet werden, dass sich Kuba freigespielt hat von diesem Götze. Selbst Pokalfinal-Kommentator Bela Rethy aus dem Zwoten verortete Kuba bei der Überreichung des DFB-Pokals neben Bundespräsident Gauck in der ersten Reihe.

Und dabei erkannte Rethy, wie der selbstbewusste Kuba mit polnischer Flagge um die Schulter jenem Gauck, die Freiheit des Mithüpfens angedeihte. It sounds like Kuba libre. Diesem Kuba gefiel dies alles augenscheinlich. Vielleicht auch, wie der kicker ihm neulich schmeichelte, indem er ihm eine frappierende Ähnlichkeit mit dem blonden James Bond-Darsteller Daniel Craig unterstellte.

James Bond, der eigentlich Kuba genannt wird, führt Polen zur EM im eigenen Land. Empörte Reaktionen britischer Revolverblätter stehen weiterhin aus. Sie lesen offenbar nicht den kicker. Schließlich würde James Bond, wäre er denn Fußballer, eher eine Zahlenkombination auf seinem Trikot tragen, die am Ende eine 7 enthält. Wohl kaum Kubas Rückennummer „16“, mit der schon Polens Torjäger-Idol Grzegorz Lato weiland über die Spielfelder stürmte.


Wie weit Kuba es mit Polska bei der 2. EM-Teilnahme bringen wird? Griechenland, Russland und Tschechien in der Vorrunde: die Glaskugel bleibt nebelverhangen. Trotz Heimnimbus bleibt Polen wohl nur eine Außenseiterolle, obwohl Polen mitunter gar als Geheimfavorit gehandelt wird. Das drohende EM-Aus wird wohl ein steter Begleiter bei der Euro 2012 sein.

Die Frage, welcher Titel eines James Bond-Streifens hierzu passen könnte, klingt zwar etwas absurd. Doch „Im Angesicht des Todes“ könnte passen, oder nicht?

Mittwoch, 6. Juni 2012

Berni Superstar!

Maskottchen: ungezählte Exemplare ihrer Gattung hoppeln, laufen, flattern und winken durch die Welt. Mal mehr, mal weniger exzentrisch. Sie sollen Glück bringen, sich gut verkaufen und trotz seltsamer Namen (Vorsicht Diminutiv!) und Erscheinung Symbolisches verkörpern. Richtig? Das erste dieser Wesen , das ich kennenlernte? Es war Berni, ein harmloser Hase. Berni war Maskottchen der Euro’88 in Deutschland und stand schon einmal Seite an Seite mit "Kaiser" Franz.



Er trug ein schwarzes Trikot, eine rote Hose (!),  gelbe Stutzen und ein weißes Stirnband. Berni war stets fröhlich, was mich bereits als Kind sehr ansprach. „Berni ist ein sympathischer, enthusiastischer Fußballfan und versinnbildlicht die positive Seite der beliebtesten Sportart der Welt,“ erklärte der DFB Bernis Heiterkeit damals etwas hölzern . Lange glaubte ich, Bernis Name wäre aus einem Schreibfehler resultiert und er hätte als Hommage an einen gewissen Herrn Vogts Berti heißen sollen.

Heute weiß ich, er leitete sich von Bern ab, dem damaligen UEFA-Sitz, und sollte für die deutschen Gastgeber die ach so clevere Brücke zum „Wunder von Bern“ schlagen. Auch die Schweden fanden Berni klasse, zogen ihm vier Jahre später einfach ein gelb-blaue Kluft und ließen ihn bei der Euro'92 durch ihre Stadien hoppeln . Einige meinten, das wäre ideenlos gewesen. Ich meine, das spricht für Berni, für  Berni Superstar. Nun denn an diesem Berti Berni musste sich bei mir seither jedes dieser Wesen messen lassen.

Bei der Euro 2012 erwarten uns nun zwei Gestalten namens Slavek und Slavko. die mit dümmlichen Gesichtern und Starkstromfrisuren, die die einen leicht an die hüpfenden irischen Sänger Jedward erinnern. Focus online sieht in ihnen gar „zwei Trolle auf LSD“. Für die polnischen Gastgeber steht Slavek, der  Kluft und Haare im polnischen rot-weiß trägt. Sein Zwilling Slavko erscheint im ukrainischen gelb-blau. "Naturgemäß" scheiden sich an Wesen wie Slavek und Slavko die Geister.


Doch mit den Namen ihrer Punk-Twins schossen sich die Euro-Organisatoren ein Eigentor. Denn angeblich heißt kein Pole Slavek und kein Ukrainer Slavko, anders als die beauftragte US-Werbeagentur offenbar annahm. Slavek sei ein tschechischer, Slavko ein serbischer oder kroatischer Vorname, meckerte die gestrenge taz. Polens Verbandspräsident Grzegorz Lato hört hingegen auf einen polnischen Vornamen und findet die Zwillinge dennoch ganz toll.

Er habe vor 40 Jahren genauso eine Frisur gehabt, schwelgte Polens heute glatzköpfiges Fußball-Idol. Lato spielte dazu geschickt auf Polens große Fußballära an, die er eben anno 1972 durch den Gewinn der olympischen Goldmedaille mit eingeläutet hatte. Und jener schlitzohrige Lato, weiland Polens gefürchteter Torjäger, flunkerte dann doch etwas, was seine frühere Haarpracht betraf. Voll war stets Latos Torkonto. Nur, stürmte er schon früh mit hoher Stirn und wehender blonder Mähne im Nacken durch die Gegend…

Und Slavek und Slavko? Sie werden hüpfen, winken und uns von Souvenirs angrinsen. Anders als Goleo, dem löwenartigen Maskottchen der WM 2006, haben sie aber zumindest Hosen an. Doch gemach. Auch dieses „winkende Elend“ (Focus online) wird nach dem Finale in Kiew wieder in der Versenkung verschwunden sein. Zum Schluss sage ich nur zwei Worte: Berni Superstar!

Freitag, 1. Juni 2012

Golden Goals

Allerorten werden momentan Parforceritte durch die EM-Historie gewagt. Es lässt sich allerhand über van Basten, Platini, Uli Hoeneß, Panenka undsoweiter nachlesen. Da kommt man auch nicht an Oliver Bierhoff vorbei, der Finalabend der EM 1996 lässt grüßen. Hat sich dieser Bierhoff, den Rudi Völler einmal „Malta-Fuß“ schimpfte, damals in Wembley etwa unsterblich gemacht?

Vielleicht. Vielleicht hat es der Fußball-Gott mit ihm aber einfach nur gut gemeint. Zunächst, als er Bierhoff Bertis Elf mit seinem Ausgleich in die Verlängerung retten ließ. Danach, als er Tschechiens Torsteher Kouba beim „Golden Goal“ Bierhoffs deutlich derangiert danebengreifen ließ. Weniger als maltafüßiger „Mr. Golden Goal“, denn als „Kopfballungeheuer“ verewigte sich Horst Hrubesch.

Und wir haben natürlich Hrubeschs unvergängliche Sentenz im Ohr, die sein Wirken mit Manni Kaltz flankiert: „Ich sach‘ nur zwei Worte: Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor“. Ohne dass Kaltz‘ Flanken  im Endspiel einer sonst tristen 1980er EM sein Haupt erreichten, ereignete sich dort eine von Hrubeschs Sternstunden. Nach dem Anpfiff fand ihn ein Steilpass des juvenilen Bernd Schuster, den das „Kopfballungeheuer“ per Fuß in Jean-Marie Pfaffs Tor versenkte.


Nach dem belgischen Ausgleich , machte das blonde „Kopfballungeheuer“ aus dem Westfälischen seinem Namen alle Ehre und wuchtete mit seiner Stirn Kalle Rummenigges Ecke in Pfaffs Tor.  Es war die 88. Minute und man kann sagen, dieser Horst Hrubesch war nicht der einzige Deutsche, der nun kurz vor dem Abpfiff im  Stadio Olimpico in Rom Kopf stand . In seinem Fußball-Jahrbuch '80 erinnert sich Reporterikone Harry Valérien hieran irritierend nüchtern:

„Die entscheidende Sekunde - Horst Hrubesch befördert den Ball zum 2:1-Sieg ins belgische Tor - natürlich per Kopf, für dessen Wertarbeit der lange Hamburger ja bekannt ist. Karl-Heinz Rummenigge hatte per Eckstoß die Vorarbeit geleistet. Minuten später ertönte der erlösende Schlusspfiff. Geschafft: Deutschland ist zum zweiten Mal Europameister.“

Gewiss, es ist der altväterliche Sound einer anderen Zeit. Mit Bierhoff hat Hrubesch aber nicht nur gemein, in einem EM-Finale doppelt getroffen zu haben. In jener entscheidenden Sekunde erzielte das „Kopfballungeheuer“ sozusagen sein eigenes „Golden Goal“. Der Fußball-Gott ward also auch Hrubesch zugetan. So heißt es: hätte sich „Fallrückzieher-König“ Klaus Fischer nicht verletzt, wäre er nach Italien nicht einmal mitgefahren…

Montag, 28. Mai 2012

Quasselstrippen

Was macht eigentlich, Olaf Thon? Die Schalker Ikone hat schon lange nicht mehr von sich reden gemacht. Doch das mit dem Reden wird sich ändern. Für die anstehenden Euro 2012 verpflichtete RTL erneut den vereinslosen Thon als TV-Experten, nachdem Thon für RTL seit 2006 bereits drei Turniere kommentiert hatte. Ob der der 90er Weltmeister anno 2012 wohl ins Schwelgen gerät? Zum Beispiel, wie er bei der Euro 88 Dänemark in seinem Schalker Parkstadion einen Treffer einschenkte...

Daneben erhält Thon in RTL-Bachelor Paul Janke einen schillernden Kollegen. Der Oberligakicker des Hamburgischen Klubs Niendorfer TSV soll wahrhaftig für die Zeit der Euro den RTL-Flirt-Experten geben und die holde Damenwelt zum Fußball missionieren. Thon selbst hat sich für diese unvermeidliche Aufgabe vermutlich bereits vor einem Jahrzehnt disqualifiziert. Damals gestand er dem Spiegel exklusiv und unverblümt ein: „Lothar Matthäus hatte mehr Frauen als ich.“

Nun denn. Zur Analyse, dass auch in Polen und der fernen Ukraine der Ball rund ist, kann Thon immerhin auf ein Potpourri an Zitaten aus seinen Spielertagen zurückgreifen. Meist im gestelzten, professoralen T(h)on gesprochen, weisen Thons Weisheiten eine erstaunliche polyvalente (!) Kompatibilität auf. Zwei Paradebeispiele gefällig? Bitte schön: „Niemand ist perfekt, auch nicht der Ball.“ oder „Man darf das Spiel nicht so schlecht reden, wie es wirklich war.“

Und siehe da, Olaf Thon ist nicht allein. Mehmet Scholl analysiert die EM im Ersten, Olli Kahn im Zwoten, Michael Ballack für ESPN. Selbst Mario Basler versucht sich erneut als Experte. Nicht für RTL Zwo, Basler geht für den Diskounter Netto unter die Blogger. Laut der Diskounter-Webseite wird Basler in seinem EM-Blog „nicht nur handfeste Tipps für einen perfekten Grillabend, er berichtet auch in seiner ureigenen Art von der Fußball-Europameisterschaft - vor und nach den Spielen.“

Von einer großflächigen Zeitungsanzeige grinste mich der Blogger Basler neulich mit erhobenen Daumen an. Und für Fußballfreunde, die an Baslers Lippen hängen, hat der Anzeigentext sicher verheißungsvoll geklungen. So stand dort im beißenden Basler-Sprech: „Portugal, Holland, Dänemark. Die hätte ich früher alleine abgeschossen.“ Dann mal, gute Nacht allerseits. Diese Euro 2012 wirft bisweilen gnadenlos ihre Schatten voraus…

Samstag, 19. Mai 2012

Finale dahoam

FC Bayern versus Chelsea Football Club im Bayern-Wohnzimmer: das Champions League-Finale elektrisiert die Massen. 62.500 Zuschauer finden in der Allianz Arena Platz, bis zu 8.000 Euro sollen Karten auf dem Schwarzmarkt wert sein. In 200 Länder wird das Spiel übertragen, bis zu 200 Millionen Menschen werden an den Bildschirmen das „Finale dahoam“ live sehen können.


Drei Mal fand bisher ein Landesmeisterfinale in München, damals im Olympiastadion, statt. Doch weder 1979, 1993 oder 1997 erreichten die Bayern diese Endspiele. Anders als 2012. Uli Hoeneß hob das „Finale dahoam“ daher schon in himmlische Höhen empor. Es sei „das Highlight in der Geschichte des FC Bayern“. Bisher gewannen die Bayern allein vier Mal den Europapokal der Landesmeister respektive die Champions League, jeweils einmal den UEFA-Pokal sowie den Pokalsiegercup. Dennoch wäre ein noch so dreckiger Sieg versus Chelsea vermutlich für die Bayern ein Triumph für die Ewigkeit.


An vier dieser Europapokalsiege wie auch an vielen weiteren Bayern-Titeln war auch Bayerns Torwartlegende Sepp Maier maßgeblich beteiligt. Nur beim Endspiel gegen Chelsea heißt es „Koan Maier“ und hier scheint sich der Vorhang für eine kleine bajuwarische Komödie zu öffnen. Denn offenbar vergaß der Rekordmeister sein Torwart-Idol bei der Ticketvergabe. So vertraute die „Katze von Anzing“ dem kicker fauchend an: „Bis jetzt habe ich keine Karten bekommen. Ich laufe denen aber auch nicht hinterher oder bettle darum.“


Es riecht also für Sepp Maier gewaltig nach einem eigenen „Finale dahoam“, als einer dieser 200 Millionen Fernsehzuschauer. Das scheint dem Maier-Sepp aber nicht ganz ungelegen zu sein, wie er gegenüber dem kicker weiterfauchte. Da habe er seine Ruhe und könne bei einer guten Flasche Wein alles analysieren. Seine Frau und sein Hund Batzendorfer schauten auch zu. Und Batzendorfer bekomme einen Bayern-Schal angezogen.


Ja mei, Batzendorfer und sein Schal in Ehren. Aber hätte SAT 1 den Maier-Sepp auf seine alten Tage nicht als Co-Kommentator engagieren können? Sozusagen, Seite an Seite mit Finalkommentator Wolff(-Christoph) Fuss. Die „Katze von Anzing“ wäre geradezu prädestiniert, Herrn Fuss im Falle einer Hyperventilation nach einem Tor einzufangen. Oder nach dem Spiel den Kerner. Oder der Maier-Sepp hätte Herrn Fuss zumindest Schnupftabak anreichen können…

Donnerstag, 17. Mai 2012

Tea Time mit Frank Lampard

The Road to Munich 2012. Der Chelsea Football Club hat nach 2008 zum zweiten Mal überhaupt ein Finale der Champions League erreicht. Das ist eine kleine Geschichte über Chelseas Altstar Frank Lampard, der Chelsea als Kapitän in dieses Finale im Wohnzimmer der Bayern führen wird. Und auch irgendwie über einen gewissen Dave Dawes, Chelsea-Fan und Lotto-Millionär.

Frank Lampard sei „der beste Mittelfeldspieler der Welt“, sagte einmal Jose Mourinho über ihn. Doch seitdem ist mehr als ein halbes Jahrzehnt vergangen und Mourinho längst nicht mehr Trainer an der Stamford Bridge. Lampard stolziert noch immer mit seiner number eight für Chelsea über die Rasenrechtecke. Bilder, wie Lampard und Chelsea-Skipper John Terry errungene Pokale wie jüngst den FA Cup in die Höhe stemmen, gehören irgendwie zu diesem Chelsea. 

Doch, an dem bald 34-jährigen Lampard nagt längst der Zahn der Zeit: Verletzungen, mangelnde Fitness, Formschwankungen. Das sah auch Andre Villas-Boas so. Mourinhos früherer Assistent, den hatte Roman Abramowitsch im Sommer 2011 für 15 Millionen Euro Ablöse nach London gelotst. Villas-Boas war gerade einmal nine months Chelseas Coach, bis Abramowitsch ihn wieder vor die Tür setzte. Das Verhältnis des erfolglosen Villas-Boas zu Chelseas Stars war angeblich so zerklüftet wie ein schottischer Rübenacker im November.

In der Premier League trennten die Blues unter Villas-Boas plötzlich Lichtjahre von dem Gipfel, den sich die beiden Klubs aus Manchester teilten. Folglich sah Abramowitsch offenbar auch in der Königsklasse Chelseas Felle davonschwimmen. Chelseas Oldies, nicht viel älter sind als der junge Protugiese selbst, wollte Vilas-Boas offenbar der Reihe nach in Rente schicken. Angeblich wollte er mehr barca'eskes Flair an der Stamford Bridge verbreiten. 

Spazierte Lampard mit Mourinho einst Arm in Arm vom Rasen, soll er mit jenem Villas-Boas kaum ein Wort gewechselt haben. Und fand sich öfter auf der Ersatzbank wieder, als ihm lieb war. Unter Roberto Di Matteo, dem Nachfolger von Villas-Boas , änderte sich dies. Di Matteo hält mehr von Lampard, ebenso wie Chelsea-Fan Dave Dawes, der Lampard ebenfalls stets die Stange gehalten hatte. Nur auf eine andere Weise.


Dave gewann im Oktober 2011 im britischen Lotto 101 Millionen Pounds und war damit auf einen Schlag Chelseas bekanntester Supporter. Er hatte zuvor den erst dritten Lottoschein in seinem Leben abgegeben. In der yellow press erschienen dann Fotos, wie Dave und seine blonde Gattin Angela stolz grinsend ein Chelsea-Trikot mit dem Schriftzug 101 Million in die Kameras hielten. Auf die Frage, was sie mit ihren vielen Pounds anfangen würden, sagten sie:
„Toll wäre eine Wohnung an der Stamford Bridge. Dann könnten wir Frank Lampard zum Tee einladen.“

Tea Time mit Frank Lampard, klingt toll. Nur bisher hat Lampard sich bei Dave und Angela noch nicht blicken lassen. Vielleicht hat Lampard nach diesem Münchner Finale und der Euro etwas mehr Zeit für Dave und Angela. Gegen die Bayern wird Lampard nun anstelle des gesperrten John Terry Chelseas Skipper geben. Falls Chelsea nach dem Halbfinale-Coup gegen Barca auch bei den Bayern triumphieren sollte, werden Terry und Lampard den dicken silbernen Henkelpokal wohl wieder gemeinsam heben. Dies kündigte Terry bereits an.

Für Lampard  könnte München, nach der dramatischen 2008er Finalpleite von Moskau, die letzte Chance hierzu sein. Er wird halt nicht jünger. Oder nicht? Denn Lampard plant like Ryan Giggs, bis zum jüngsten Tag die Stiefel zu schnüren. Ausschließlich für den Chelsea Football Club versteht sich. Seinen großen Fans Dave und Angela dürfte dieser Plan gefallen...

Sonntag, 13. Mai 2012

Hoch lebe der „Pöhler“!

Zurzeit lässt Jürgen Klopp einen leicht glauben, dass er schier alles kann. Außer vielleicht Champions League. Früher war Klopp schon Brillenträger des Jahres, TV-Bundestrainer an verschwörerischen Taktiktischen mit Kerner und Jauch und so etwas wie der Mainzer Jahrhunderttrainer. Zwei Mal Meistercoach, nach einem gewaltigen fünf zu zwo gegen die Bayern ist er seit gestern Pokalsiegertrainer und holte damit erstmals das Double an den Borsig-Platz.

Beim BVB herrscht Jubel, Trubel, Heiterkeit. Die BAMS titelte bereits kürzlich wenig subtil, aber vermutlich treffend: „Das BVB-Herz schlägt KLOPP; KLOPP; KLOPP.“ Selbst der stern erhob Klopp vor Kurzem auf seinen Titelblatt und sezierte die Klopp'sche Kunst der Motivation. Doch obacht, Klopp kann noch mehr. Er huldigt seit Jahresbeginn mit seiner Kappe dem „Pöhler“. Klopp sagte mal, er trage sie, weil ihm gefalle, wie intensiv im Pott Fußball gelebt werde!


Nur ist das mit den „Pöhlern“ so eine Sache. In nordwestdeutschen Breitengraden, etwa im Emsland (#SV Meppen), besteht die zumeist einzig messbare Qualität eines Pöhlers darin, Bälle lang und weit nach vorne zu „pöhlen“. Die Spielkultur des Kick & Rush hätte ihm vermutlich gut gelegen. René Werner vom emsländischen Fußballportal amateurmarkt.de erklärt:

„Was ist ein Pöhler? Der Pöhler verkörperte zu meiner aktiven Zeit den Fußballer mit dem härtesten unkontrollierten Schuss! Ob nun Libero, Vorstopper, Verteidiger oder Stürmer – allesamt alle konnten den Pöhler verkörpern! Dank/durch Jogi uns seinen Mannen schien er ausgestorben, doch schaut einmal in die Fläche der Hobbykickerei so findet man den ein oder anderen Exoten der alten Gattung.“

Doch mit dem „Pöhler“ der nordwestdeutschen Güte ein Double zu gewinnen, wäre selbst für Jürgen Klopp schwierig gewesen. Es wurde landläufig viel über den „Pöhler“, dem Kloppo huldigt, gerätselt und erklärt. Daher hat der LIBERO bei jemandem nachgefragt, der auf den Rasenrechtecken des Ruhrgebiets sozusagen das Gras wachsen hört: bei Buchautor und VfL Bochum-Edelfan Ben Redelings.

Ben, in Teilen Norddeutschlands kloppt ein "Pöhler" die Pille lang und weit nach vorne. Ist der Pöhler zum Beispiel aus Bochum derselbe Typ?

„Die Sache mit dem "Pöhler" auf der Kappe von Klopp ist sogar etwas komplizierter. >Lass uns pöhlen gehen<, sagen hier in der Gegend kleine wie alt gewordene Jungs, wenn sie sich zum gepflegten Kick verabreden. Früher, als es noch bedeutend weniger Autos gab, pöhlte man tatsächlich gerne auf der Straße oder auf Hinterhöfen, später dann auf Wiesen und Bolzplätzen. Wenn einer besonders schöne Schuhe dabei trug, waren das schon einmal "geile Pöhler", die er da präsentierte.Heute nennt man ganz allgemein alle, die auf dem Platz keine >Muscheltaucher, Vollfriseure oder Eisverkäufer< (O-Ton Peter N.) sind, Pöhler!“

Dank Ben Redelings wissen wir nun: jeder ist ein Pöhler. Das lässt sich hören!

Doch, die Pointe dieser kleinen Geschichte ist noch eine andere. Man muss wissen, dass in den sprachlichen Breitengraden Nordwestdeutschlands der Begriff „Pöhler“ noch eine weitere Bedeutung hat. Denn dort werden an Kanälen liegende Schiffsanleger entweder Poller oder in ihrer umgangssprachlichen Ausformung „Pöhler“ genannt. Soweit, so gut.

Und, wer hätte es gedacht? Richtig, sie sind alle schwarz-gelb. Der BVB und Kloppos Kappe lassen grüßen. In diesem Sinne, hoch lebe der „Pöhler“!

Freitag, 11. Mai 2012

So wie der Himmel auf Erden

Mein Kumpel ist leidenschaftlicher HSV-Anhänger. Meist ist er fanatisch, was  Werder angeht, verfügt aber über ein St. Pauli-Trikot. Ob es damit zu tun hatte, dass er es mit seinem HSV zuletzt ziemlich schwer hatte? Ich weiß es nicht. Ich weiß hingegen, dass der HSV seinem epochalen ersten Abstieg nicht oft näher war als in diesem Frühling 2012. Das olle „Hamburg, meine Perle“ ging meinem Kumpel kaum noch über die Lippen.

Weit öfter stimmte er hingegen Klagelieder an, wonach „der ganze Mist“ mit Manni Kaltz nicht passiert wäre. Da Kaltz, der „König der Bananenflanken“, längst in Rente ist, wurde mein Kumpel kreativ. Er baute sich in einem Karton einen HSV-Schrein, inklusive eines Fotos von „Uns Uwe“, dem HSV-Restprogramm und einer Kerze. Dazu gesellte er einen Gartenzwerg im stilechten HSV-Dress. Wohl wahr. Ich frage mich allerdings noch immer, ob mein Kumpel sich der gefährlichen Symbolik so ganz bewusst war…

Nun denn, nachdem der Schrein erst einmal stand,  gelang es seinem HSV tatsächlich, dem befürchteten Abstieg noch zu entrinnen. Das bedeutet: die ewige HSV-Bundesliga-Uhr läuft weiter. Doch trotz Klassenerhalts verstreicht für den Dino in den roten Hosen ebenso – und recht erbarmungslos - die Zeit ohne Titel. Man sollte wissen, 2012 ereignet sich für den großen, ehrwürdigen HSV ein trauriges Jubiläum: er ist seit 25 Jahren titellos. Daran wird auch das DFB-Pokalfinale zwischen dem BVB und den Bayern nichts ändern.

Es war einmal vor einem Vierteljahrhundert. Genauer gesagt am 12. Juni 1987, als der HSV den DFB-Pokal dank eines 3:1 im Endspiel gegen die damals zweitklassigen Stuttgarter Kickers gewann. Kapitän Thomas von Heesen stemmte den Pott danach in den Himmel. Der stets von meinem Kumpel besungene „König der Bananenflanken“ steuerte gar den vorentscheidenden Treffer zum 2:1 bei.


Vielleicht sollte mein Kumpel seinen Schrein einfach stehen lassen, um das Ende dieses Fluches der Titellosikeit heraufzubeschwören. Denn 2013 wäre das Double theoretisch doch möglich, oder etwa nicht? 30 Jahre nach dem Sieg im 83er Cup der Landesmeister wäre dies für meinen Kumpel so etwas wie der Himmel auf Erden. Gewiss, für mich als Werder-Daumendrücker weniger.

Doch anders als mein Kumpel verzichte ich künftig lieber auf solch krude Schrein- oder Kerzenrituale. Selbst wenn sie dieses Double verhindern würden. Warum? Es war im trüben Herbst 2010: da drohte Werder im Sumpf des Bundesligakellers zu versinken. Daher meinte ich, meinen Werder-Wimpel an der Wand mehrmals umdrehen und (schier voodoohaft) beschwören zu müssen. Unter uns gesagt, es half rein gar nichts.

Als letzter Ausweg schien mir das Anzünden einer grün-weißen Kerze übrig zu bleiben. Eine solche hatte ich in einer Schublade liegen und mich ohnehin gewundert, wie verdächtig deren Design dem Trikot Celtic Glasgows ähnelte. Da Werder schließlich beim VfB Stuttgart (0:7!) unterging wie einst die Titanic, flackerte diese ominöse Kerze nur für einen Nachmittag. Seitdem halte ich solche Rituale für buchstäblicg „verbrannt“.

Schaun’ mer also mal, wie lange mein Kumpel mit diesem Schrein weiter auf den nächsten HSV-Titel warten muss.Ach ja, bevor ich es vergesse. Celtic Glasgow gewann übrigens an besagtem Nachmittag. Nur, was heißt gewann. Celtic zerlegte den FC Aberdeen, ebenso ein 1983er Europapokalsieger, regelrecht: mit sage und schreibe 9:0…

Dienstag, 8. Mai 2012

Athletic Bilbao Olé

Morgen steigt in Bukarest ein Europapokalfinale. Zwei spanische Klubs treffen aufeinander. Und, kaum zu glauben: es handelt sich nicht um den Stierkampf „Clasico“ zwischen Barca und Real, der uns alle ein gefühltes halbe Dutzend Mal pro Saison die Zunge schnalzen lässt. Es muss also tatsächlich noch weitere Klubs im spanischen Königreich  geben, die nicht Barca oder Real heißen. Darauf erst einmal ein zünftiges Olé!

Es sind Atletico Madrid und Athletic Bilbao, die in diesem besagten Bukarester Endspiel den Sieger im UEFA-Pokal der Europa League ausfechten. Atletico gegen Athletic. Das hört sich verdammt ähnlich an. Und ist es auch. „Atletico Madrid, die Tochter von Bilbao“, titelte hierzu unter anderem der österreichische Kurier und spielt auf die  historische Anekdote an, wonach Atletico Madrid ursprünglich ein Ableger Bilbaos ist. Es war 1903, als  Studenten, die eigentlich dem Athletic Club de Bilbao angehörten, Atletico Madrid gegründet haben. Olé!

Späte Rache hierfür werden die Basken aus Bilbao sicherlich nicht nehmen wollen. Sondern vermutlich einfach ihr zweites Europapokalendspiel gewinnen wollen. Im ersten Endspiel war Bilbao anno 1977 noch Juventus Turin unterlegen. Gewinnen, zum Beispiel durch das Siegtor von Urgestein Fernando Llorente. Der baumlange Mittelstürmer, an dem Barca reges Interesse haben soll, hatte Athletic kürzlich in letzter Minute gegen Sporting Lissabon ins Endspiel geschossen. Olé!

Bilbaos Jungstar Iker Muniain hat dagegen eher die Statur eines gewissen Lionel Messi. Mancherorts heißt es, Muniain sei ein besonderer Spieler, der ein Stadion in Ekstase versetzen könne. Deshalb nennen Muniain viele „Basken-Messi“. Apropos Ekstase. Der „Basken-Messi“ träumte nach eigenem Bekunden sogar davon, das Siegtor zu schießen. Bei einem Triumph Bilbaos kündigte dieser 19-jährige  „Basken-Messi“ bereits vollmundig an, sich den Pokal tätowieren lassen zu wollen. Olé!

Der Baske an sich ist halt eigenwillig. So wie Athletic Bilbao selbst, das als Paradoxon des modernen Fußballs ausschließlich Kicker mit baskischen Wurzeln rekrutiert. Olé!

Was die Trikotwerbung angeht, wurde das baskische Bollwerk allerdings schon etwas brüchig. Seit 2008 ziert Bilbaos Brust den Schriftzug eines brasilianischen Mineralölkonzerns. Für so manchen feurigen Anhänger Bilbaos war diese Neuerung sicher nicht nur ein gewaltiger Schlag auf die Baskenmütze, sondern vielleicht schon eine gefühlte kleine Revolution. Dennoch bleibt Athletic Bilbao eine der letzten Bastionen der Fußball-Romantik, wie das folgende Kleinod über Bilbaos legendären Rechtsaußen  Joseba Etxeberria beweist.

In Bilbaos Fußball-Kathedrale San Mamés, wo unter anderem Manchester United und Schalke in dieser Euro League-Runde auf Granit bissen, rief man Etxeberria stets „El Gallo“ (der Hahn).Und, „El Gallo“ verzichtete einst aus Dankbarkeit tatsächlich in seiner 15. und letzten Saison im rot-weißen Bilbao-Dress komplett auf seine Gage. Darauf ein finales Olé!

Samstag, 5. Mai 2012

Eine Ode auf Carlos Alberto

In den letzten Tagen dieser Saison 2011/12 besteht die größte Freude als Werder-Daumendrücker darin, dass diese 49. Spielzeit einfach nur vorbei ist, die Abschlusstabelle in die Almanache gedruckt wird und gut. Da werden selbst eiserne HSVer zustimmen.
Es gilt, schnell dieses Inferno von Werders schlechtester Rückrunde ever zu vergessen. Das einst leuchtende Grün im Werder-Wappen scheint allmählich zu einem tristen Grau verblasst. Das alles fast auf den Tag genau 20 Jahre nach dem 1992er Europapokalsieg, bei dem Klaus Allofs im Finale von Lissabon Torschütze war und Thomas Schaaf  den Stürmern des AS Monaco den Ball abhechelte.

Flankiert wird der Stillstand im Mittelmaß von dem Exodus langjähriger, teurer Werder-Stars. Ja, wo gehen sie denn nur alle hin? Özil zaubert  seit zwei Jahren für Real, Frings kickt seit einem Jahr noch ein bißchen in Kanada, Merte ein bißchen mehr für Arsenal. Nun werden Borowski, Rosenberg, Silvestre oder auch Marin folgen. Und Tim Wiese? Real Madrid? Nicht ganz so „königlich“, Hoffenheim. Vergessen wir nicht Pizarro und Naldo, die  längst ungeduldig mit den Hufen scharren.
Marko Marin angelte sich bekanntlich Chelsea, der Champions League-Finalist und Barca-Besieger. Wer zunächst an einen verspäteten Aprilscherz glaubte, wird sich bei Marins kolportierter Ablösesumme vermutlich wie Klaus Allofs die Hände gerieben haben. Stolze acht Millionen Euro sollen die „Blues“ für Marin springen lassen. Offenbar hält Chelsea-Coach Di Matteo Marin tatsächlich für den „German Messi“. Spinnen die Briten etwa?
Chelsea hat sich doch nicht etwa davon blenden lassen, dass Marins Nachname ebenso fünf Buchstaben lang ist wie Messis oder Marin bei Werder die Messi-Trikotnummer zehn trug. Oder haben Chelseas Scouts etwa zu oft Marins Werbespot für einen Klebehersteller angeschaut? Spätestens seitdem dürften sie wissen, dass nur Pattex stärker an Marins Fuß klebt als alle Bälle aus der weiten Welt des Fußballs. Welch groteske Zeit, „the German Messi played in Bremen“ und keiner hat‘s bemerkt…
Als Werder-Daumendrücker erhält man derzeit oft hämische Hinweise, wonach Werders Zukunft nun auf klangvolle Kickern wie Trybull, Hartherz oder Füllkrug beschränkt sein wird. Sportschau-Onkel und Werder-Edelfan Reinhold Beckmann wähnte sich kürzlich beim Doppelpass-Besuch daher schon in Tolkiens „Mittelerde“. Moderator „Wonti“ Wontorra,  übrigens nebenbei kritischer Werder-Kolumnist, grinste dazu nur staatsmännisch. Ja, die fetten Jahre an der Weser sind definitiv vorbei.
Der Beckmann hat gut reden. Denn, jetzt singt er auch noch. Hiermit ist kein Ansage-Sing-Sang in der Sportschau gemeint. Auch nicht, wie er weiland als Kommentator des 2006er WM-Endspiels erkannte, dass der fröhliche Tony Christie-Schlager „The way to Amarillo“ aus den Stadionboxen plärrte, während Franzosen und Italienern vor dem Elfmeterschießen gewaltig die Knie zitterten. Nein, Beckmann hat seine musische Seite entdeckt und ist zu einer Art Chansonnier avanciert.
Neulich gab er mit seiner Combo Band im Hamburger NDR-Funkhaus ein Live-Konzert. Das Publikum wusste zuvor nicht, dass Beckmann ihnen gleich etwas in die Ohren summen wird. Und: Hört! Hört! Offenbar ist Beckmanns Gästen nicht einmal hören und sehen vergangen. Für den Einspieler „Bremen“ mit dem Refrain Einmal mir dir nachts durch Bremen sollen Beckmann & Band fürwahr Standing Ovations geerntet haben.

Ob Klaus Allofs und Thomas Schaaf ebenfalls mitgeklatscht hätten? Fraglich. Schließlich hätte man Beckmanns Liedchen, mit einem Augenzwinkern gesagt, auch vielleicht als Ode auf Carlos Alberto verstehen können.

Carlos Alberto, jene nachtschwärmerische und ziemlich teure Galionsfigur der jüngeren Bremer Einkaufspolitik, dessen Namen sich Allofs und Schaaf in jeder Transferperiode aufs Brot schmieren lassen dürfen.Eine Ode auf diesen Ballkünstler do Brazil, damit hat in diesen grauen Werder-Zeiten nun wirklich niemand rechnen können…

Sonntag, 29. April 2012

Otto, wo ist der Libero?

Kürzlich erhielt ich eine Mail. Dort hieß es: „Wenn Du Deinen Blog schon Libero nennst, schreib mal mehr über ihn.“ Der Typ nannte sich Manni und klopfte sich vermutlich auf die Schenkel, als erwähnte, auch einmal Libero gewesen zu sein. Dennoch dachte ich mir, warum denn eigentlich nicht. Dann fiel mir ein, dass ich etwa über good old Otto Rehhagel schreiben könnte. Er ist schließlich der „Lordsiegelbewahrer des Liberos“ und Otto finde ich gut!

Kutzop, Bratseth, Lothar, Sforza, Tsiartas und wie sie alle heißen... überall wo Otto  einmal Station machte, tauchte auch der Libero auf. Welch Treppenwitz seines Trainerlebens war es, als Otto in der griechischen Nationalelf einst einen gewissen Liberopoulos aufstellte, der aber Stürmer war...

Vor einigen Monaten ließ Otto sich nun breitschlagen, Hertha BSC vor dem Bundesliga-Abstieg zu retten. Viele fanden das gar nicht gut, meckerten „Hertha geht’s nicht“ und hätten Herrn Preetz allenthalben am liebsten in die Wüste gejagt. Bei seiner Vorstellung proklamierte „König Otto“ dann, dass bei der Hertha sein Wort ab sofort Gesetz sei, wonach ebenso viele die Nasen rümpften. Hätten sie ihn doch weiland in Hellas gehört. Da fabulierte „Rehakles“ noch: „Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Ich habe die demokratische Diktatur eingeführt.


Wie dem auch sei, die „Alte Dame Hertha“ kümmert so etwas auf dem grünen Rasen wenig. Einen Spieltag vor dem Saisonende  ist sie Vorletzter und bekommt derzeit gefühlt Woche für Woche eine Packung. Wie etwa gestern auf Schalke und kam dort mit 1:4 unter die Räder. In dem vermeintlichen Retter Rehhagel erkannte Sportschau-Reporter Witte daher nur noch „einen ratlosen älteren Herren“, dem schon längst ein Zacken aus der Krone gesprungen sei. Dennoch habe der Fußball-Gott „seinen Mannen noch eine letzte Chance“ gegeben, stemmte Otto Durchhalteparolen dagegen und spielte auf das Abstiegsfinale am kommenden Samstag gegen Hoffenheim an.

Dort, wo ausgerechnet Ex-Trainer Babbel das Zepter schwingt und nach seinem schmerzhaften Abschied im Winter die Hertha in die Liga Zwo versenken wollen dürfte. Ja, ja, Otto: der vielbeschworene Fußball-Gott. Lässt er Hertha gewinnen und Köln gegen die Bayern verlieren, dann hätte Otto mit Hertha zumindest die Relegation erreicht. Hört sich in dieser Situation nach großem Kino an, ist für die Hertha aber eigentlich ein zutiefst trauriges Drama. Da bleibt Otto wohl, augenzwinkernd gesagt, nur noch seine allerletzte Patrone.

Mitnichten sein ewiger griechischer Adjudant Angelos Charisteas, der inzwischen für ein Klübchen namens Panetolikos Agrinio stürmt. Es ist kein Geringerer als der Libero! Nun Otto, wo ist er? Bisher tauchte er trotz Herthas Verteidigernot und etlichen Klatschen in keiner Taktik auf, obwohl ein Kandidat in Ottos eigenen Reihen schlummert. Es ist Herthas ungarische Ikone Pál Dárdai, der nach 14 Jahren im Arm der „Alten Dame“ dann und wann noch immer in Herthas zweiter Garnitur die Stiefel schnürt.

Mensch Otto, wäre Dárdai als einer der Erben des großen Ferenc Puskas mit 35 Jahren nicht geeignet, Deinen (vielleicht) letzten Libero zu geben? Also, mach’et Otto. Ich fände das gut! Die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt.

Sonntag, 22. April 2012

Looking for Litti

Welch Karneval rund ums Müngersdorfer Stadion. Der Effzeh scheint auf Abwegen in Liga Zwo, hat ein Führungschaos und Poldi scheint geradewegs auf dem Weg nach London. Kein Wunder, dass der Dom wackelt und Geißbock „Hennes“ mit dem Zittern nicht mehr aufhört.

Nur, vom alten Effzeh-Helden Pierre Littbarski spricht kaum jemand. Dabei wurde „Litti“, der als Fummelkönig der Achtziger den Liberos der Liga Knoten in die Beine dribbelte, kürzlich juvenile 52. Selbst in diesen schweren Effzeh-Wochen sollte Zeit für fünf Wahrheiten über „Litti“ bleiben. Daher: Viva Colonia Litti!

1.  Wer weiß es noch? „Litti“ schoss den Effzeh anno 1983 gegen Lokalrivale Fortuna zum Pokalsieg und damit vorerst letzten Titel. Anders als Toni Schumacher oder Bodo Illgner zählt er zu den Effzeh-Helden, die sich nicht für eine Position beim Effzeh selbst ins Gespräch gebracht haben.

2.  Nachdem „Litti“ als Kicker zunächst dem Effzeh, außer einer Stippvisite bei Racing Paris, durchweg die Treue hielt, ließ sich „Litti“ -san danach in Japan nieder und dort seine Karriere ausklingen. Später wurde er gar zum Weltenbummler und bereiste als Trainer die halbe Welt. Stationen? U.a. Japan, Australien, Iran, Liechtenstein, Duisburg...

3.  Irgendwann verschlug es „Litti“ dann in die Autostadt nach Wolfsburg, wo seine Trainerkarriere etwas ins Stocken geraten ist. Nach kurzer Amtszeit als Interimscoach in Wolfsburg machte ihn Felix Magath, sein alter Nationalmannschaftsgefährte, zu seinem Scout. Schaut man sich Magaths offensive Einkaufspolitik an, dürfte „Litti“ stets gut zu tun haben.

4.  Ob „Litti“ damit seine Rolle gefunden hat? Mit verschiedensten Rollen hat der gelernte Finanzbeamte immerhin Erfahrung. Zum Beispiel bei sämtlichen Turnieren auf deutschem Boden. Bei der WM’74 gab er etwa in seiner Heimatstadt Berlin den Balljungen, bei der EM’88 ließ ihn Teamchef „Kaiser“ Franz auf den Rasen. Und bei der WM 2006 plauderte „Litti“ als  RTL-Kommentator wortreich ins Mikrofon.

5.  Allerdings ist er nicht der einzige „Litti“ in der weiten Welt des Fußballs, da der ewige Jari Litmanen in seiner finnischen Heimat ebenso gerufen wird. Doch seinen Namensvetter hat Littbarski längst in Leere laufen lassen, indem er bereits anno 1994 seine Biografie veröffentlichte. Deren Titel?: „Litti – Mein Leben“. Es kann halt nur einen geben.

Samstag, 7. Januar 2012

Letzter Halt @Arsenal

In sieben glorreichen Jahren bei Arsenal avancierte Thierry Henry nicht nur zum Rekordschützen der „Gunners“. Seither gilt Henry dort als lebende Legende. Seit kurzem darf sich Henry daneben zu dem erlauchten Klub jener aktiven Kicker zählen, die über ein eigenes Denkmal verfügen. Denn erst kürzlich stellte Arsenal eine Statue Henrys vor sein Emirates-Stadium.

Nur wenig später wird nun der Traum vieler Gunners-Anhänger wahr.Nachdem Henry Arsenal  2007 verließ, streift der Franzose doch noch einmal Arsenals rot-weißen Dress über. Sein derzeitiger Klub New York Red Bulls leiht ihn für zwei Monate an die „Gunners“aus. Ob die Londoner U-Bahnfahrer wie kürzlich streiken oder nicht, für den inzwischen 34-Jährigen wird es wohl der letzte Halt @ Arsenal werden.


Doch ist Monsieur Henry noch mehr als ein Denkmal? Der LIBERO fragt nach: Und zwar bei Arsenal-Blogger Ste, dem Kopf des einstigen Goonerportals.

Thierry Henry kickt wieder für Arsenal. Ste, in wenigen Worten: Deine erste Reaktion?

Eine Mischung aus Vorfreude und Ungläubigkeit. Zwar hatte sich die Ausleihe Stück für Stück angedeutet und uns somit nicht über Nacht überrascht, aber es bleibt nun einmal die Rückkehr des verlorenen Sohnes und damit etwas ganz Besonderes. Man könnte fast den Eindruck haben, dem Verein sei damals ein Stück seiner Seele abhanden gekommen, das nun doch noch den Weg nach Hause findet. So ganz werde ich das Ganze aber wohl erst glauben können, wenn ich ihn endlich wieder für unsere Farben in Aktion sehe.

Wie wurde seine Rückkehr ansonsten bei den Arsenal-Fans aufgenommen?

Ausnahmslos positiv. Den Abgang nach Barcelona hat man ihm längst verziehen, stattdessen wird er mit warmherzigen Beifall und Sprechchören begrüßt, wo auch immer er auf Arsenal-Fans trifft. Sicher gibt es stellenweise Bedenken, ob er mit seinem Kurzengagement nicht sein sportliches Denkmal beschädigen könnte, aber das ist weder bei Campbell noch bei Lehmann passiert und wird bei Henry auch nicht passieren. Die Fans sind intelligent genug, um zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu unterscheiden, und wollen einfach nur noch ein bisschen Zeit mit einem ihrer ewigen Lieblinge verbringen.

Nach drei Jahren beim FC Barcelona hat Henry zuletzt seine lange Laufbahn bei New York Red Bull ausklingen lassen. Wie gut ist Henry mit seinen 34 Jahren noch?

Eine gute Frage, die er uns vermutlich nur selbst auf dem Platz beantworten kann. Natürlich hat er mit der Zeit an Schnelligkeit und Dynamik eingebüßt, aber mit der technischen Begabung, seinem Näschen für Situationen und seiner unverschämten Abgebrühtheit stellt er immer noch eine unliebsame Aufgabe für jeden Verteidiger dar. Zumal diverse britische Journalisten voll des Lobes über seine Trainingsform waren, wo man ihn angeblich kaum vom Ball trennen konnte und er auch bei den Spielern ziemlichen Eindruck hinterlassen haben muss. Trotzdem sollte man natürlich keine Heldentaten erwarten, wie er sie in der Vergangenheit vollbracht hat, sondern sich einfach mal überraschen lassen.

Kann Henry Arsenal angesichts des bisher durchwachsenen Saisonverlaufs als „Kurzzeit-Kanonier“ überhaupt helfen?

Definitiv. Die bittere Wahrheit ist, dass Arsenal abgesehen von Robin van Persie keinen einzigen Angreifer hat, den der Gegner wirklich auf dem Zettel haben muss. Chamakh spielt jenseits von Gut und Böse und muss sowieso zum Afrika-Cup, vom Panikkauf Park ist nichts zu sehen und mit Bendtner hat man sowieso endgültig abgeschlossen. Einen echten Joker haben wir also gar nicht im Aufgebot, und wenn Henry diese Rolle für ein paar Wochen auch nur halbwegs zufriedenstellend erfüllen kann, ist uns schon massiv geholfen.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass er nicht nur mit dem Ball am Fuß helfen kann. Schon seine Präsenz zieht zwangsläufig die Aufmerksamkeit der Defensive auf sich und verschafft damit anderen Spielern mehr Räume und mehr Möglichkeiten. Zumal er unseren zahlreichen jungen Spielern gerade auch menschlich eine Menge vermitteln kann, was hinsichtlich ihrer charakterlichen Entwicklung sehr förderlich sein wird.


Nachdem Arsenal-Coach Arsene Wenger neben Henry zuletzt immer häufiger erfahrenere Spieler verpflichtete, kannst Du einen Strategiewechsel in Wengers Transferpolitik erkennen?

Die letzte Transferperiode stellt sicher einen Sonderfall dar, als Wenger für ihn höchst ungewöhnliche Panikkäufe tätigte und dabei auch auf ältere Spieler wie Benayoun oder Arteta setzte. Allerdings mussten damals in Form von Nasri, Clichy und Fàbregas drei Leistungsträger auch recht plötzlich abgegeben werden. Von einem Strategiewechsel zu sprechen erscheint mir deshalb etwas zu verfrüht, wenngleich es mich freuen würde, wenn das junge Team nun regelmäßig um erfahrene Kräfte ergänzt werden würde.

Letzte Frage: wie viele Treffer erwartest Du von Monsieur Henry in seinem wahrscheinlichen „Arsenal-Endspiel“ Ende Februar im Derby gegen Erzrivale Tottenham?
Bedenkt man, dass Henry schon immer gerne im Duell um den Norden Londons traf und er dabei noch nie als Verlierer vom Platz gegangen ist, muss man aus Sicht unseres Erzrivalens das Schlimmste befürchten. Zumal er sein Debüt für New York amüsanterweise ausgerechnet gegen die Spurs gab und in dieser Partie prompt auch zuschlug. Da er aber wahrscheinlich erst gegen Ende des Spiels von der Bank aus kommen wird, sollten wir am besten bescheiden sein und es augenzwinkernd bei einem Doppelpack belassen.

Vielen Dank für das Interview.


Dienstag, 3. Januar 2012

Prosit 2012 allerseits!

2012: Ich hoffe, alle Leser des LIBERO sind gut hineingerutscht. Fußballerisch hat das neue Jahr dagegen schon längst wieder begonnen. Sicher auf der Insel wurde wie eh und je gekickt.Zum Jahreswechsel machte auch ein alter Bekannter mal wieder von sich reden.

Das neue Jahr begann daher für mich mit A wie Ailton. Der Brasilianer lässt es wieder krachen und soll sozusagen auf einer Silvesterrakete nach Australien geflogen sein. Richtig, auweia - ab in den Dschungel. Nicht in die A-League, die australische Profiliga, die Ailton etwa auf seiner Weltenbummlerkarte noch fehlt. „Das ist Ailton“, könnte er dazu treffend  im gewohnt lakonischen Sound aus seinem Zitatenschatz, der genau ein Zitat enthält, kommentieren.

Doch 2012, das Jahr der Euro in Polen und der Ukraine, soll beim LIBERO mit jemandem beginnen, der einen weitaus umfassenderen Zitatenschatz hinterlassen hat. Die Rede ist vom Grandseigneur deutscher Länderspielübertragungen der goldenen 80er Jahre: Heribert „’n Abend allerseits“ Faßbender. Eine Top 5 gefällig? Zur Einstimmung auf die Euro mit geographischen Finessen? Bitte schön, werde wie Heribert Faßbender:

1. „Norwegen in rot, die deutsche Mannschaft, das muss ich Ihnen nicht mehr sagen und da brauche ich auch gar nicht viel zu erklären, wie so oft - wie eigentlich immer, wie fast immer, in den Farben, die Sie kennen: In den weißen Trikots und den schwarzen Hosen! Aber, meine lieben Zuschauer, das wissen Sie ja sicher auch so, da muß man keine großen Worte mehr verlieren.“

2. „Und jetzt skandieren die Fans wieder: "Türkiye! Türkiye!", was so viel heißt wie "Türkei! Türkei"

3. „Da singen sie: We are red, we are white, we are Danish Dynamite - Wir sind rote, wir sind weiße wir sind dänische..., äh...“

4. „Toulouse or not to lose, das ist hier die Frage. Bitte verzeihen sie mir diesen kleinen Kalauer.“

5. „Oliver Neuville, der europäischste Europäer, den man sich am heutigen Abend überhaupt vorstellen kann: Vater Deutscher, Mutter Italienerin und Großvater Belgier - von dem er auch den Namen hat! Sonst würde er "Neustadt" heißen!“


Das neue Fußballjahr und die Euro in Polen und in der Ukraine können also kommen oder frei nach Heribert Faßbender gesagt: Prosit 2012 allerseits!