Mittwoch, 30. Januar 2013

Brentford Blues

Was macht eigentlich, Uwe Rösler? Die einstige sächsische Sturmkante, den Manchester City weiland in seine Hall of Fame aufnahm, ist zurzeit der einzige deutsche Cheftrainer eines Profiklubs im Mutterland des Fußballs. Denn der 44-Jährige mit dem kahlen Haupt coacht den  FC Brentford. Nicht zu verwechseln mit dem Viertligisten Bradford City, der just sensationell ins englische Ligapokalfinale eingezogen ist.

Doch bleiben wir beim drittklassigen FC Brentford aus dem Londoner Westen, mit dem Rösler in der League One dank einer tollen Siegesserie auf dem stolzen 3. Platz rangiert – hinter Vereinen wie den Rovers aus Tranmere und Doncaster. Unter Rösler, der in der norwegischen Heimat seiner Ehefrau seine ersten Trainergehversuche machte, befinden sich die „Bees“ (die Bienen) quasi im Landeanflug auf einen Aufstieg.

Das gab es bei dem Traditionsklübchen, als dessen berühmtester Kicker Roddie Stewart gilt, schon lange nicht mehr. Denn Anfang der swinging sixties spielte die schottische Rockröhre, quasi nach Ende seines Stimmbruchs, beim FC Brentford vor. Stewart erhielt dort aber entgegen einer landläufigen Legende keinen Profivertrag. Apropos Landeanflug. Sollten Sie einmal Heathrow, Londons größten Flughafen anfliegen, werden Sie Brentfords Stadion gut erkennen. Denn der Griffin Park liegt in Heathrows Einflugschneise, weshalb der kleine Klub seine Tribünendächer mit Werbeslogans hat versehen lassen.


Das hat man beim großen West-Londoner Nachbarn FC Chelsea, der am Sonntag zur 4. FA Cup-Runde in den Griffin Park einflog, nicht nötig. Doch hätte Fernando Torres Chelsea mit seinem Ausgleichstreffer kurz vor dem Schlusspfiff nicht ins Wiederholungsspiel gerettet. Dann wären Mr. Lampard und Kollegen von Röslers „Bienenschwarm“ im Griffin Park, wo Chelseas Reserve früher eine Zeit lang seine Heimspiele absolvierte, um ein Haar aus Englands traditionsreichstem Pokalwettbewerb gestochen worden.

Nach jenem blamablen 2:2-Remis schlichen Chelseas Coach Rafa Benitez und seine Star-Kicker mit verkniffenen Minen vom geschundenen Rasen des Griffin Parks, so als hätte sie der Brentford Blues ereilt. Schließlich war der schlingernde Champions League-Sieger erst kürzlich ähnlich blamabel gegen die wackeren Waliser von Swansea City im englischen Ligapokalhalbfinale gescheitert. Die „Bees“ ließen sich nach dem Schlusspfiff zwar mit stolzen Minen von den 12.000 begeisterten Zuschauern im Griffin Park feiern.

Doch der Brentford Blues, der schien an diesem sonnigen Januarnachmittag im Londoner Westen selbst jenen Uwe Rösler befallen zu haben. In Erwartung des Wiederholungsspiels an der Stamford Bridge fasste Rösler die Ereignisse zwischen den ungleichen Nachbarnspäter in einem BBC-Interview zusammen und sagte im wehmütigen Sound: „Chance of a lifetime missed“.

Sonntag, 27. Januar 2013

Bratseth auf dem Bügel

Werder versus Borussia Dortmund: 0:5! Es war eine hilflose Bremer Herde, die Thomas Schaaf und Werder den Rückrundenstart Samstag vor einer Woche so richtig verhagelte. Die Verteidigung von Werders Boss Willi Lemke stand da tags darauf im Doppelpass gegenüber Jörg Wontorra, dem alten Werder-Tribun, und seiner Runde etwas besser.

Dort verteidigte Lemke mit Engelszungen und dunkelgrüner Krawatte seine Vereinspolitik und als eine Art Ein-Mann-Bollwerk den ewigen Thomas Schaaf. Nebenbei erinnerte Lemke den grinsenden Wonti an die guten, alten Bremer Tage der Otto-Rehhagel-Ära in den 80er und 90ern. Wontorra kommentierte seinerzeit Werders Partien noch in bizarren bunten Pullovern als Radio Bremen-Reporter. Willi Lemke war als Manager damals Ottos Verhandlungsreisender, um dessen Wunschspieler an Land zu ziehen.

So wie Werders legendären norwegischen Innenverteidiger Rune Bratseth, den Lemke nach eigenen Angaben für eine läppische Ablöse von 200.000 Mark von Rosenborg Trondheim an die Weser gelotst hatte und den er in Wontis Runde in nostalgischer Nonchalance gleich zu einem „der Weltbesten seiner Zeit“ adelte. Bratseth, zuletzt gar als Allofs-Nachfolger im Gespräch, war maßgeblich an den großen Erfolgen der Otto-Ära beteiligt: Zweimal Meister und Pokalsieger und anno 1992 gar Gewinner des Europacups der Pokalsieger.


An der Weser nannte man Bratseth den „Abwehr-Elch“. Bratseth zeichnete sich zwar nicht unbedingt durch Sprintstärke aus, dafür aber durch eine umsichtige, ruhige Spielweise. Taktisches Vermögen, gutes Kopfball- und Stellungsspiel sowie Führungsstärke rundeten das Portfolio von Ottos einstigem Abwehrchef ab. Als Werder-Daumendrücker habe ich übrigens in nostalgischem Gedenken an der einst von Otto proklamierten „kontrollierten Offensive“ seit Langem ein Bratseth-Trikot mit der obligatorischen Numero 4 auf dem Bügel hängen.

Gerade nach Werders Rückrundenauftakt und vor dem Gastspiel beim HSV scheint es mir mal wieder angebracht, es aus dem Schrank zu holen. Gewiss, solch ein ruhender Pol wie Bratseth würde Werders dümpelnder Defensive auch im Nord-Derby gut zu Gesicht stehen. Werder scheint zwar längst zum Angstgegner des Bundesliga-Dinos avanciert zu sein. Nach der bösen BVB-Pleite darf man aber vermutlich nicht unbedingt erwarten, dass dieser Schrecken weiterhin wirkt. Hoffnung macht da augenzwinkernk gesagt fast nur, dass Werder selbst in der letzten Saison beim HSV triumphierte, als Werder seine schlechteste Rückrunde ever hinlegte...

Als jener Bratseth vor 20 Jahren noch Werders „Abwehr-Elch“ gab, gelang es einmal, die Erben von „Uns Uwe“ mit 6:0 in die Knie zu zwingen und einen Spieltag später gar dem FC Bayern die Meisterschale vor der Nase wegzuschnappen. Etwas ältere Werderaner dürften sich daran sicher gern erinnern, auch wenn jene schöne Zeiten  längst vorüber sind. Doch ich gebe zu, an den tristen Tagen dieses Bremer Umbruchs ist es ganz wohltuend, wenn man diesen Spielfilm im nostalgischen Kopfkino immer wieder ablaufen lassen kann… 

Foto: der-libero.de 

Donnerstag, 24. Januar 2013

Obama & West Ham

Mit viel Tamtam legte Barack Obama just in diesen Tagen für vier weitere Jahre seinen Amtseid ab, nachdem er Ende 2012 das Wahlduell um die Präsidentschaft gegen Mitt Romney für sich entschieden hatte. Und ob man es glaubt oder nicht, über den passionierten Basketballspieler Obama existieren gar einige wenige Anekdoten über Fußball. Über Mr. Romney, dem etwa kritische Geister nachsagen, gern wie rasch seine Meinungen zu wechseln, sind hingegen keine bekannt. Am ehesten passt da wohl der fußballaffine Spruch: „Der Ball ist rund, damit er seine Richtung ändern kann“.

Was Obama angeht, verballhornte dieser bei einem Empfang im Weißen Haus gar einmal David Beckham. Beckham sei ein zäher Kerl, so scherzte Obama, und dazu einer von wenigen, die tough genug auf dem Spielfeld wären und zugleich ihre eigene Unterwäsche-Kollektion hätten. Auch Beckhams Alter ließ Obama nicht ungeschont: „Die Hälfte seiner Mitspieler könnten seine Kinder sein." Der 37-jährige Beckham nahm es mit Humor und blieb amused. Ob er dies auch wegen einer weiteren fußballerischen Episode Obamas wäre, aus Beckhams Heimat überliefert ist?


„Yes, we can“, dachte man sich offenkundig bei West Ham United nach Obamas erstem Wahlsieg 2008 und beabsichtigte damals laut einem Bericht der BBC, Obama himself zu einem Heimspiel an den Boleyn Ground einzuladen. Anlass gebend war dafür das Gerücht, wonach Obama dem Londoner Traditionsverein schon 2003 bei einem Heimspiel die Daumen gedrückt haben soll. Das englische Revolverblatt Sun spießte diese Geschichte genüsslich auf und fragte sich, ob irgendwann West Hams Hymne I’m Forever Blowing Bubbles aus dem Weißen Haus ertönen würde - inbrünstig von Obama geschmettert. Doch jenes Gerücht löste sich schnell wieder in Luft auf. Denn wie der renommierte West Ham-Blogger Iain Dale in seinem Hammers Diary zu berichten wusste, hatte Obama auf Nachfrage die erhoffte Daumendrückerei für West Ham verneint.

Dabei hätte Obama sich als einer der populärsten Supporter West Hams im Fußballmutterland immerhin ein eigenes kleines Denkmal setzen können, womit er bei den Hammers übrigens gerade richtig gewesen wäre. Denn seinem Klubidol Sir Bobby Moore kredenzte West Ham bisher gleich drei sogenannte „Denkmäler“. Eine Tribüne heißt etwa „Bobby Moore Stand“, dazu errichtete man vor dem Stadioneingang eine Bobby Moore-Statue und vergibt obendrein längst Moores legendäre number six nicht mehr. Wer weiß, wäre Obama diese Kultur der Denkmalpflege bekannt gewesen, vielleicht hätte er...

Doch genau hier könnte der Unterschied zwischen Obama und seinem erfolglosen Herausforderer Mitt Romney liegen. Denn Romney hätte, so könnten seine Kritiker knurren, sich wohl als West Ham-Edelfan feiern lassen. Wie jener eingangs zitierte Spruch noch einmal heißt? Der Ball ist halt rund, damit er seine Richtung ändern kann...

Foto: der-libero.de

Donnerstag, 17. Januar 2013

Gestatten, ››Kobra‹‹ Columbo!

Kennen Sie, noch Inspector Columbo? Der ist zweifellos ein Relikt der 70er und 80er Jahre, als der von Peter Falk gemimte Detektiv im zerknitterten hellen Trenchcoat auf deutschen Mattscheiben Fälle unter die Lupe nahm. Ebenso ein Relikt vergangener Zeiten ist wohl Jürgen Wegmann. ››Kobra‹‹ ward der ehemalige Stürmer gerufen, seit er einmal in ein Mikrofon zischte, er sei vor dem Tor ››giftiger als die giftigste Kobra‹‹ .

Nach einem Karriereende ohne Plan zeigte Uli Hoeneß  Herz. Vor Jahren spendierte er seinem einstigen Mittelstürmer einen Job im Bayern-Fanshop, wo Wegmann die Trikots seiner Nachfolger faltete und verkaufte, bis er sich nun offenbar mit seinem Chef und früheren Mitspieler Hansi Pflügler überwarf. Doch Wegmann war schnell einer neuen Karriere auf der Spur, wie er gegenüber BILD in einem bizarren Interview nun ankündigte.

Er wolle im Stile von „Inspector Columbo“ künftig als Detektiv arbeiten und, wie ihn die BILD am Nasenring durch die Manege ziehend erklären ließ, den Mord an Bruce Lee unter der Lupe nehmen. Da der Detektiv in spe bisher nicht unbedingt des hintergründigen Humors verdächtig war, wartete man vergebens darauf, dass sich dieser Nonsens als einfache Ente herausstellen könnte. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die ››Kobra‹‹ die Fährte des australischen Dschungelcamps aufnimmt…

Bevor es heißt ››Gestatten, ››Kobra‹‹ Columbo!‹‹ hat Der Libero nun eine Top 5 an Anekdoten über ››die giftigste aller Kobras‹‹  gesammelt, als diese noch vor den gegnerischen Toren zubiss und Columbo ausschließlich auf der Mattscheibe nacheiferte:
 
1. Jahrelang schnürte Wegmann für den BVB die Stiefel, stürmte etwa Seite an Seite mit Horst Hrubesch oder Daniel Simmes. Mit seinem Last-Minute-Tor im Relegationsspiel anno 1986 gegen Fortuna Köln rettete er den BVB letztlich vor dem drohenden Bundesligaabstieg.

2. Wegmann gehörte zu einem kleinen Kreis weniger Kicker um Stan Libuda, Rolf Rüssmann oder Andi Möller, die es wagten, vom BVB direkt zu Schalke 04 zu wechseln. Nach zwei Jahren beim FC Bayern kehrte Wegmann übrigens später noch einmal zum BVB zurück.

3. Bei den Bayern hatte Wegmann davor einige Karrierehöhepunkte erlebt.  Ebenso wurde er Opfer des legendären Faustschlages von HSV-Keeper Uli Stein im Supercupspiel 1987, der Stein fast die Karriere kostete. Dazu feierte Wegmann mit den Bayern eine Meisterschaft und erzielte per fulminantem Klaus-Fischer-Gedenk-Fallrückzieher das Tor des Jahres 1988.


4. Trotz dieser Meriten hörte Wegmann von Teamchef Franz Beckenbauer  kein ››Kobra, übernehmen Sie‹‹ . Der ››Kaiser‹‹ vertraute in der Nationaelf seinerzeit Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Kalle Riedle und Frank Mill. Ein Schicksal, welches Wegmann mit seinem damaligen überaus torefährlichen Bayern-Gefährten Roland Wohlfahrt teilte.

5. Dazu passt wohl eine allseits bekannte Weisheit Wegmanns ganz gut, mit welcher er weiland fast tiefste philosophische Tiefen erreichte und die wohl in jedem Beitrag über ihn einfach dazugehört: „Erst hatte ich kein Glück, dann kam auch noch Pech hinzu.“

Sonntag, 6. Januar 2013

Da biegt sich die „Bananenflanke“

Manni Kaltz gehört zum altehrwürdigen HSV genauso wie die „Bananenflanke“ zu ihm selbst. Die ewige Sentenz von „Kopfball-Ungeheuer“ Horst Hrubesch haben wir natürlich im Ohr, die sein einstiges Wirken mit Manni Kaltz sozusagen flankiert: „Ich sach‘ nur zwei Worte: Manni Bananenflanke, ich Kopf - Tor“. Der Anlass für die Kaltz’sche Huldigung? Der „Bananenflankenkönig“ wird 60 und Der LIBERO gratuliert.

Was hat Kaltz bei seinem HSV nicht alles erlebt. Pinke Trikots, viele Eigen- und noch mehr Elfmetertore, Trainer von Kuno Klötzer, Ernst Happel bis Gerd-Volker Schock, Kevin Keegan, Flanken über Flanken. Und natürlich die Glanz & Gloria-Ära des HSV, als im Hamburger Volkspark  in den 70er und 80ern drei Meistertitel, zwei Pokalsiege und gar zwei Europapokaltriumphe gefeiert werden konnten. Bemerkenswert: bei jedem Titel des HSV seit der Bundesliga-Gründung war Kaltz mit von der Partie. Auch in der Nationalelf machte er den „Rothosen“ in 69 Länderspielen zumeist Ehre, wurde etwa 1980 Europameister und zwei Jahre später Vize-Weltmeister. 

1977, nachdem Franz Beckenbauer in der Nationalelf abdankt war, nahm Kaltz des Kaisers Position als Libero ein, erntete aber meist Skepsis. Selbst DER SPIEGEL fragte sich seinerzeit, ob Kaltz der richtige Nachfolger für Beckenbauer sei und damals zitierte einen gewissen Hennes Weisweiler. Der hatte geunkt, bei der kommenden WM 1978 werde man erkennen, dass Kaltz einen besseren rechten Verteidiger als Libero abgeben werde. Und der weise Weisweiler behielt recht: jenes Experiment bei der WM in Argentinien scheiterte. Spätestens, als der Österreicher Hans Krankl „Manni, den Libero“ vor seinem berühmten Cordoba-Tor ausgetanzte. Wie dem auch sei.

Ernst Happel dürfte sich im Grabe umdrehen, würde er miterleben, wie der „HaEsVau“ seinen Rekordspieler Manni Kaltz rund um dessen Jubiläumstag beehrt. Nämlich kaum,
da biegt sich förmlich die  „Bananenflanke“. Heute etwa ist auf der HSV-Homepage ein kompakter Gratulationsartikel zu erkennen, der mit 159 Wörtern (inkl. Überschrift) nicht mal so viele Wörter enthält wie Kaltz einst Bundesligaspiele absolvierte. Das waren stolze 581 in 19 Jahren, ausschließlich für den HSV.

Der Bundesliga-Dino verewigte Kaltz zwar auf dem Walk of Fame der HSV-Legenden rund um das einstige Volksparkstadion. Aber ansonsten? Von einer Geburtstagsgala ganz zu schweigen, hat Kaltz selbst bis heute noch immer kein Abschiedsspiel erhalten. Ebenso wird auch seine legendäre Rückennummer Zwo munter weiter vergeben. Ob der HSV seine neue Stadionuhr, die die ewige Bundesliga-Zeit des Dinos in der HSV-Arena anzeigt, demnächst nach Kaltz benennen könnte? Vermutlich: Fehlanzeige.
Was bleibt ist ein Interview, welches der als Schweiger bekannte Kaltz nun flankierend zu seinem Jubiläum gab. Dort analysierte er den Zustand seines HSV beinahe so messerscharf wie er weiland seine Flanken schlug: der HSV habe kein System und sei von einer Meisterschaft meilenweit entfernt. Auch da biegt sich die  „Bananenflanke“
Foto: der-libero.de