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Freitag, 18. August 2017

Treuer Charly

Heute Abend ist Anpfiff der 55. Bundesligasaison. Karl-Heinz »Charly« Körbel ist Rekordspieler der Bundesliga und hält diesen Rekord mit 602 Einsätzen seit nunmehr zwei Dekaden. Eintracht Frankfurts Klubikone , der einst eisenharte Vorstopper, wird ihn wohl auch auf ewig verteidigen. »Der Libero« wartet nun mit zehn Schlaglichtern aus Körbels stolzer Karriere auf, die im Oktober 1972 mit juvenilen 17 Jahren begann und im Mai 1991 mit fast 37 Jahren endete.


1. Körbel wird »der treue Charly« genannt. Schließlich absolvierte der gebürtige Dossenheimer offenbar aus der besten uweseeler'schen Schule stammend sämtliche seiner Bundesligapartien im Trikot seiner Frankfurter Eintracht. Körbel war auf dem Rasen als Vorstopper zwar gefürchtet, galt aber stets als tadelloser Sportsmann. Unlängst berief die Eintracht ihr Klub-Idol zu einem ihrer Ehrenspielführer. Das Klub-Maskottchen, ein Adler, heißt im Übrigen auch weiterhin Attila (nach Attila Pfaff) und nicht wie die WELT einmal verkündete, Charly...

2. Sein Bundesligadebüt absolvierte Körbel mit zarten 17 Jahren gegen den FC Bayern, als Eintracht-Trainer Erich Ribbeck ihn im Oktober 1972 mit der Manndeckung eines gewissen Gerd Müller betraute. Müller, der in der Saison zuvor gigantische 40 Treffer erzielt hatte, sollte zwar auch gegen Körbel einmal einnetzen, sah sich aber ansonsten von dem Vorstopper-Novizen abgemeldet. Nicht nur deshalb gewann die Eintracht mit 2:1.

3. Wie Körbel einmal den 11Freunden im Interview anvertraute, blieb Gerd Müller in den folgenden Jahren einer seiner erklärten »Lieblingsgegenspieler«, da der »Bomber der Nation« sich gegen Körbel mit dem Tore schießen überaus schwer tat. Der sonst eher wortkarge Müller soll vor späteren Duellen mit dem eisenharten Körbel mal geflucht haben: »So eine Scheisse, schon wieder gegen dich«.

4. Nur drei Jahre nach Körbels bestechendem Debüt sollte der kicker einmal mit Körbel auf dem Cover seiner Montagsausgabe schlagzeilen: »Ein Mann mit Zukunft – Körbel kann sie alle ausstechen«. In der Nationalelf gelang dies Körbel allerdings nicht so wie prophezeit. Körbel absolvierte zwar 1974/75 als damals 20-jähriges Talent sechs Länderspiele, kam aber an dem      arriviertem Welt- und Europameister »Katsche« Schwarzenbeck nicht vorbei. Der Legende nach soll hierfür unter anderem der damalige Kapitän der Nationalelf, Franz Beckenbauer, mitverantwortlich gewesen sein. Denn dem »Kaiser«, behagte die offensive Spielweise Körbels offenbar nicht und goutierte gegenüber Bundestrainer Schön seinen Putzer »Katsche«. Bekanntlich überquerte dieser selten die Mittellinie und hielt dem als Libero nicht minder offensiven »Kaiser« in verlässlicher Manier den Rücken frei.

5. Von Körbels offensiven Qualitäten profitierte indes seine Eintracht zweimal in besonderem Maße - ganz im Gegensatz zur Nationalelf . Anno 1975 triumphierte man etwa dank Körbels Siegtreffer im Pokalfinale von Hannover über den MSV Duisburg. An gleicher Stelle spielte Körbel 14 Jahre später erneut Schicksal, als er seine Eintracht mit einem Kopfballtor in der Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken vor dem drohenden Zweitligaabstieg bewahrte. Letzteren Treffer bezeichnete Körbel später einmal als den wichtigsten seiner Karriere.

6. Den wichtigsten Titel seiner Karriere holte Körbel unterdessen 1980, als Frankfurt den UEFA-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach errang. Daneben gewann Körbel insgesamt vier Mal den DFB-Pokal (1975, 1976, 1981, 1988). Beim letzten Pokalsieg fungierte Körbel als Eintracht-Kapitän und ist damit bis heute der letzte Spielführer der Hessen, der einen Titel in die Höhe stemmte. Der Gewinn einer Meisterschaft blieb Körbel verwehrt.

7. Anders als ein offizielles Abschiedsspiel, das 20 Jahre nach Körbels Bundesligadebüt im Waldstadion gegen den FC Bayern stieg, der aber dieses Mal ohne Gerd Müller antrat. Sein letztes Bundesligaspiel bestritt Körbel anno 1991 beim FC St. Pauli, wo er am 33. Spieltag vom gnadenlosen Berliner Referee Prengel wegen eines Allerweltsfouls die vierte Gelbe Karte kassierte und zum großen Frankfurter Verdruss beim Saisonfinale im heimischen Waldstadion gesperrt war.

8. Ein Jahr später, als Frankfurt am letzten Spieltag der Saison 1991/92 in Rostock kurz vor dem Gewinn der Meisterschaft stand, wäre Körbel übrigens beinah zu einem Comeback gekommen. Wäre nicht Frankfurts damaliger Cheftrainer Dragoslav Stepanovic gewesen, der davon absah, das zum Assistenztrainer avancierte Klub-Idol im Ostseestadion einzuwechseln. Frankfurt unterlag dem späteren Absteiger mit 1:2 und verlor in einem Herzschlagfinale die Meisterschale an den VfB Stuttgart. Körbel bekundet noch heute: »Mit mir wären wir Meister geworden, denn ich habe noch nie ein Finale verloren

9. Besagter Assistenztrainer seines Leib- und Magenvereins blieb Körbel noch einige Jahre und half zudem Mitte der 90er mehrmals als Interims-Trainer aus. In die Saison 1994/95 führte der »treue Charly« seine Eintracht gar als offizieller Chefcoach, aufgrund großer Abstiegsgefahr musste er aber im Frühling 1996 seinen Hut nehmen. Das brachte indes wenig, da die Eintracht trotz Nachfolger Stepanovic kurz darauf erstmals aus der Bundesliga abstieg. Hiernach wurde Körbel seiner Eintracht übrigens gleich zweimal untreu, als er sich auf Cheftrainer-Stippvisten bei den damaligen Zweitligisten VfB Lübeck und FSV Zwickau einließ.

10. Seit längerer Zeit  ist Körbel seiner Eintracht gottlob aber wieder treu. Inzwischen fungiert er als Berater des Eintracht-Vorstands und leitet die klubeigene Fußballschule, die er 2001 gegründet hat. So richtig los, kommt der »treue Charly« von seiner Eintracht vermutlich nie.

Foto: der-Libero.de

Mittwoch, 14. November 2012

Lost in Amsterdam

Fürwahr, es sind viele kapitale Kapitel, die die Historie deutsch-niederländischer Länderspiele umfasst. Vor fast jedem Duell wird unterdessen fernab jeglicher Rivalitäten die traurige Episode von Zoltan Sebescen erzählt. Rund um das Millenium galt der damalige Wolfsburger etwa auf dem rechten Flügel als einer der wenigen Verheißungen in der dunklen Ära deutschen Rumpelfußballs. Im Februar des EM-Jahres 2000 ließ Teamchef Erich Ribbeck daher den gebürtigen Schwaben mit den ungarischen Ahnen in der nagelneuen AmsterdamArena debütieren.

Ribbecks grünbeleibte Elf gab damals den Sparringspartner für ihre spielfreudigen niederländischen Nachbarn, die  Co-Gastgeber der bevorstehenden Euro waren. Sebescen selbst fand sich nicht etwa im rechten Mittelfeld wieder.  Ribbeck versetze ihn auf die ungewohnte Position des rechten Außenverteidigers. Auf dem Rasen reihte sich der oft  überfordert wirkende Debütant sofort in die Geflogenheiten Ribbeck’scher Rasenrumpeleien ein und verlief sich ebenso oft wie seine Mitspieler Matthäus, Ziege oder Babbel im niederländischen Kurzpasswirbel.


Dazu düpierte ihn gleich mehrmals der niederländische Dribbler Boudewijn Zenden, der nach Stellungsfehlern Sebescens einen Treffer vorbereitete und einen weiteren selbst in Olli Kahns Tor wuchtete. Sebescens Auftritt dauerte letztlich 45 Minuten, da ihn Ribbeck in der Halbzeit in der Kabine ließ.  Aus Sebescens Debüt, ironischerweise mit der Beckenbauer'schen Numero fünf auf dem Rücken, sollte zugleich sein Endspiel mit dem Adler auf der Brust werden und lässt sich wohl am besten mit dem Etikett „Lost in Amsterdam“ beschreiben. Seither umweht ihn jene tragische Melodie des personifizierten „One-Hit-Wonders“ in der deutschen Nationalelf.  

Für manche mag er mit seinem Auftritt gar auf einer Umlaufbahn mit einer gewissen Sarah Connor schweben, der es einmal gelang, sich singend an der deutschen Hymne zu „verbrühen“. Doch derlei Singsang täte Sebescen mehr als Unrecht. Zu seinem Wohle sei daher erwähnt, dass er nach einem späteren Wechsel zu Bayer Leverkusen maßgeblichen Anteil daran hatte, dass die Werkself 2002 ins Glasgower Champions League-Finale einzog. Schließlich sollte selbst ein Lothar Matthäus, an jenem Amsterdamer Abend übrigens fast 40-jähriger deutscher Kapitän, auch einmal in der Nationalelf - zufällig gegen die Niederlande - debütieren.

Und was machte der übermotivierte Jungspund Matthäus bei einer deutlichen deutschen 3:0-Führung im Auftaktkick der Euro' 80? Er fällte in seiner ersten Aktion nach seiner Einwechslung den niederländischen Rechtsaußen Willy van den Kerkhoff im Strafraum. Das zog einen Elfmeter nach sich, der wiederum zum ersten von zwei Anschlusstreffern führte, die später beinahe im Ausgleich der Oranjes gemündet wären. Der Rekordnationalspieler musste danach fast geschlagene eineinhalb Jahre warten, ehe Derwall ihn sein 2.von später 150 Länderspielen absolvieren ließ.


Zum Schluss dieser Sebescen-Episode soll einer bisweilen landläufigen Annahme widersprochen werden. Denn es ist nicht jener Sebescen, der sich mit erwähntem 45 minütigen Auftritt, die Lorbeeren des Nationalkickers mit der kürzesten Einsatzzeit ever ans Haupt heften darf. Dies darf vielmehr der frühere Stuttgarter Bernd Martin tun, der anno 1979 im walisischen Wrexham für drei Minütchen den Adler auf der Brust trug...