Dienstag, 15. Oktober 2013

Genialer Grätscher aus Göteborg

Deutschlands letzter Auftritt in der WM-Quali in Schweden mutet als Spiel um die Goldene Ananas an, haben beide Teams immerhin das Ticket nach Brasilien oder in die Relegation gelöst. Spannungshemmend wirkt dazu, dass in Stockholm mit dem gesperrten Zlatan Ibrahimovic der prominenteste »Schwedenhappen« nicht mit von der Partie sein wird. Doch um Zlatan soll es sich nun ausnahmsweise einmal nicht drehen. Eher um Glenn Hysén, einen der wohl besten schwedischen Stopper aller Zeiten...

Die schwedische Verteidigerlegende Glenn Hysén und Diego Maradona haben erstaunlicherweise gleich mehrere Dinge gemeinsam. Zum einen wurden beide am 30. Oktober geboren. Zum anderen waren sie in ihrer Hauptschaffenszeit in den Achtzigern jeder in seinem Ressort wunderbare Solisten. Über Maradonas Ballfertigkeiten braucht man sicher kaum Worte zu verlieren. Hysén hingegen war ein antizipierender Innenverteidiger, ein humorloser wie genialer Grätscher und damit ein wahrhaftiger Sliding Tackling-Solist.

Als Kaleidoskop für Hyséns Fertigkeiten soll uns ein Qualifikationsmatch für die WM 1990  dienen, welches Hysén mit Schwedens (alte) Wembleystadion führte. Dort berannten die von John Barnes und Gary Lineker angeführten Engländer fast pausenlos den schwedischen Strafraum, erreichten diesen jedoch fast gar nicht. Denn jener Glenn Hysén, mit der Kapitänsbinde um den linken Arm und der blauen Nummer drei auf dem gelben Trikot der Tre Kronors, avancierte zum so genannten schwedischen Turm in der Schlacht. Hysén lief den Hausherren reihenweise die Bälle ab und ließ ein ums andere Mal seine Grätschqualitäten aufblitzen. Es versteht sich von selbst, ohne dabei auch nur ansatzweise Foul zu spielen. Wie etwa im zweiten Abschnitt, als er dem einschussbereiten Lineker im schwedischen Sechzehner schon beinah virtuos grätschend das runde Leder abluchste, fast katzenhaft geschmeidig wieder auf die Beine kam und sogleich den Schwedens Gegenangriff einleitete.


Alt sah Hysén, der damals für den AC Florenz in der Serie A spielte, eigentlich nur etwas wegen seines so genannten grau melierten Schopfes aus und empfahl sich bei seinem persönlichen Sliding Tackling-Festival an diesem milden Abend im Herbst '88 offenbar nachhaltig den Spähern des FC Liverpool, dessen roten Dress er kurz darauf tragen sollte. Und das alles in einer längst vergangenen Zeit, als das strenge Reglement der UEFA lediglich erlaubte, zwei Ausländer gleichzeitig in der ersten Elf auflaufen zu lassen. Neben seinen Gastspielen in Florenz und Liverpool stand Hysén im Ausland zudem in Diensten des PSV Eindhoven. In Schweden wurde Hysén, dessen Karrierestart Ende der Siebziger ein gewisser Sven-Göran Eriksson ermöglichte, vor allem in seiner Heimatstadt beim IFK Göteborg eine große Nummer. Im blau-weißen Trikot des schwedischen Rekordmeisters feierte Hysén nicht nur diverse Meistertitel und Pokalsiege, gleich zweimal gewann Hysén mit dem IFK in den Achtzigern den UEFA-Pokal.

Gut zwei Dekaden nach seinem Karriereende beschränkt sich der heute 53-jährige Hysén nicht nur allein auf seinen Legendenstatus. Wie auf YouTube vortrefflich zu beobachten ist, kroch er einmal im Rosenborg Trondheim-Trikot durch Fußballstadien oder schmettert mitunter in prominenten Gesangstrios alte ABBA-Schlager. Nicht zu vergessen: seit knapp drei Jahren trainiert Hysén, dessen ältester Sohn Tobias im schwedischen Kader gegen Deutschland steht, den in Göteborg ansässigen Drittligisten Utsiktens BK. Dort ist als Verteidiger längst Hyséns jüngster Sohn Anton in die Fußstapfen von Vater Glenn getreten. Sich international einen Namen machte sich der mutige Anton übrigens 2011, als er in dem schwedischen Fußballmagazin Offside sein Coming-Out bekannt gab.

Der Artikel ist in älterer Version in dem Fußball-Blog Thor Waterschei erschienen.

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